In der Schweiz holen die Leute das Geld von der Bank: Kommt ein Crash?
Bei der strauchelnden Credit Suisse holen die Leute offenbar das Geld von der Bank - falls es zu einem Crash kommt, fallen China und die Saudis als Retter aus.

Die Lage in der Schweiz spitzt sich zu. Inside Paradeplatz, der Schweizer Finanzblog, berichtet: „Von verschiedener Seite war die Rede davon, dass nach den vermögenden Klienten auch kleine und mittelgroße Kunden ihr Geld bei der CS abholen würden. Diese ,sticky' Einlagen waren bisher bei der Bank geblieben. Heute Mittag meldeten Beobachter, dass sich Schlangen vor Bankschaltern bildeten.“
Die Schweizer Zentralbank SNB und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma haben der bedrängten Großbank Credit Suisse ausreichendes Kapital und Liquidität bescheinigt. „Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität“, erklärten SNB und Finma am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Darüber hinaus wird die SNB der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen“, hieß es weiter.
Die Aktien der Credit Suisse befanden sich am Mittwoch im freien Fall und lagen am frühen Nachmittag gut 30 Prozent im Minus. Zum Börsenschluss lagen sie bei minus 24,24 Prozent. Grund für die Panik waren die Äußerungen des größten Anteilseigners aus Saudi-Arabien, dem angeschlagenen Institut kein weiteres Geld mehr zur Verfügung zu stellen.
SNB und Finma gaben an, „dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgeht“. Der Marktwert der Credit Suisse hatte in dieser Woche bereits einen heftigen Rückschlag erlitten, nachdem die Pleite zweier Banken in den USA die Furcht vor Ansteckung befeuerte und es in der Folge zu Kurseinbrüchen vieler Banken in Europa kam.
Die Credit Suisse gehört zu den 30 Banken weltweit, die also „too big to fail“ eingestuft werden, da ihre Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Deshalb muss sie für einen möglichen Krisenfall mehr Mittel bereithalten.
Was bedeutet das alles?
Im Sommer 2015 kam der Ökonom Stephen King von der Großbank HSBC zu einem überraschenden Fazit: Nach der Finanzkrise 2008 habe China die Welt gerettet. Der Westen sei nur deswegen nicht ins Bodenlose gestürzt, weil der Boom in China die schlimmsten Folgen abgefedert hätte. Doch diese Rolle könne China in Zukunft nicht mehr spielen, schrieb King damals. Das Land müsse mit sich selbst ins Reine kommen und die während der Rettung aufgetürmten Schulden zurückführen. Bei der nächsten Krise müsse die Welt einen neuen Retter finden. Mit dem Crash von gleich drei US-Banken – der Silicon Valley Bank (SVB), der Signature Bank und von Silvergate Capital – ist nun eine neue Krise gekommen. Zunächst versuchte die US-Regierung mit der Zusage eines umfassenden Bail-outs – also der Garantie aller Einlagen – die Lage zu beruhigen. Politiker, die in einer Krise gerne nachplappern, was ihnen „Experten“, die meist Lobbyisten sind, einflüstern, gaben Entwarnung – wie etwa der deutsche Finanzminister Christian Lindner, der behauptete, in Europa sei alles im Reinen. Doch immer wenn Politiker mit besonderem Pathos locker sein wollen und sagen, die Sparguthaben seien sicher, ist Misstrauen angebracht. Wie weltfremd Lindners Beruhigungsruf war, zeigte sich schon einen Tag später mit dem Absturz der Aktienkurse der Schweizer Großbank Credit Suisse. Die Analyse der Ursachen ist vergleichsweise einfach und gibt genau deshalb Anlass zur Sorge: Die jahrelange Politik der Null- und Negativzinsen hat die meisten Banken in Staatsanleihen und andere Papiere getrieben, deren Wert bei steigenden Zinsen zurückgeht. Die Manager haben vielfach wie bei der SVB ihre Bilanzen geschönt und die Papiere in den Bilanzen einfach nicht wertberichtigt. So haben sie sich einen Bonus mehr gesichert. Jetzt rufen die Banker und ihre Experten nach einem Ende der Zinserhöhungen, auf dass die künstliche Party weitergehen könnte.
Denn die Negativzinsen haben vor allem die Spekulanten auf den Plan gerufen, und wir reden hier nicht von Shortsellern, die eine wichtige Aufgabe erfüllen. Wir reden von waschechten Zockern, die immer mehr Geld ausgereicht haben und immer reicher wurden. Profitiert haben hier nicht nur die Banker oder zwielichtige Gestalten. Profitiert haben vor allem die Regierungen, die mit immer mehr künstlichem Geld immer wahnwitzigere Interventionen gestartet haben: Corona-Billionen, Rüstungsbillionen, Klima-Billionen, Energie-Billionen – plötzlich schien es so, als könnte die Welt umgebaut werden, finanziert in planwirtschaftlichen Konzepten, finanziert von Geld aus dem Nichts. Leider funktioniert das alles nicht so: Irgendwo muss es eine echte Wertschöpfung geben. Es müssen den künstlichen Geldwerten reale Werte gegenüberstehen. Sonst ist plötzlich alles nichts mehr wert.
Diese Entwertung findet traditionell am Ende eines jeden Schuldenzyklus statt. Sie trifft immer die Falschen: Denn kein Wettkönig wird zur Verantwortung gezogen, weil er mit gezinkten Karten gespielt hat. Kein Politiker muss Rechenschaft ablegen, wenn er den Himmel rosarot gefärbt hat. Es trifft die kleinen Sparer, die Hauseigentümer, die Handwerker, die Sozialhilfeempfänger. Nicht den Großen wird viel weggenommen – die Großen gehen in Steueroasen und können sich am Ende auch jedes Elektroauto leisten. Doch auch die Großen – Regierung, Konzerne, Banken – brauchen immer einen, der sie rettet. Das ist diesmal anders. Das Beispiel der Credit Suisse ist vielsagend: Die Saudis, auf deren Rettung die Schweizer gehofft hatten, haben abgewunken. Für sie wäre die CS-Rettung ein Kinderspiel: Erst vor wenigen Tagen hatte der staatliche saudische Ölkonzern Aramco bekannt gegeben, den höchsten Gewinn eingefahren zu haben, den je ein Ölkonzern erzielte.
Doch die Saudis wollen, wie auch die Chinesen oder die Inder, nicht mehr nach der Pfeife des Westens tanzen. Sie haben die Regeln des brachialen Finanzkapitalismus verstanden und spielen in dem Casino mit – mit Pokerface und mehr Geld in den Taschen als die Westler. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schätzt, dass es auf den unregulierten Märkten Wettpapiere (Derivate) in Höhe von etwa 600 Billionen US-Dollar gibt. Diese Zeitbomben werden immer wieder unter den Tisch geschoben in der Hoffnung, dass niemand merkt, dass sie ticken. Denn solange sie nicht explodieren, werfen sie fette Gewinne ab. Die idealen Voraussetzungen sind niedrige Zinsen – nach denen rufen bereits wieder viele.
Noch hat die Europäische Zentralbank nicht aufgegeben. Sie könnte zunächst standhaft bleiben und die Zinsen trotz der Crashs erhöhen. Doch langfristig stellt sich die Frage: Wie errichtet man einen Staudamm gegen einen Tsunami?
Lesen Sie hier: Wären Kryptos eine Zuflucht?
Empfehlungen aus dem Ticketshop: