Dax bricht ein, Schweizer Nationalbank interveniert bei Credit Suisse
An den Börsen herrscht wegen einer neuen möglichen Bankenkrise Nervosität. In Zürich holen die Leute offenbar bereits ihr Geld von der Bank.

Lesen Sie hier: Was bedeutet die Entwicklung bei der CS?
Der deutsche Aktienmarkt ist am Mittwoch eingebrochen. Sorgen um den Bankensektor ließen den Dax am Nachmittag um 2,95 Prozent auf 14.784,08 Punkte und damit unter die runde Marke von 15.000 Zählern einbrechen. Für den MDax der mittelgroßen Werte ging es zuletzt um 3,45 Prozent auf 26.822,36 Punkte abwärts.
Vor allem die Schweizer Großbank Credit Suisse bereitet Sorgen. Die Credit Suisse-Aktie fiel zeitweilig um 31 Prozent auf ein Allzeittief von 1,55 Franken. Der Grund: Die saudische Nationalbank als größter Aktionär hatte bekannt gegeben, dass sie der Bank kein weiteres Kapital zur Verfügung stellen würde. Die Credit Suisse hatte am Dienstag eingeräumt, dass ihr Wirtschaftsprüfer PwC „wesentliche Schwächen“ in den Kontrollen der Finanzberichterstattung festgestellt habe. Fünfjährige Kreditausfallversicherungen für Schuldpapiere (Credit Default Swaps, CDS) stiegen deutlich auf 574 Basispunkte.
Die Schweizer Zentralbank SNB und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma haben der bedrängten Großbank Credit Suisse ausreichendes Kapital und Liquidität bescheinigt. „Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität“, erklärten SNB und Finma am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Darüber hinaus wird die SNB der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen“, hieß es weiter.
Die Aktien der Credit Suisse befanden sich am Mittwoch im freien Fall und lagen am frühen Nachmittag gut 30 Prozent im Minus. Zum Börsenschluss lagen sie bei minus 24,24 Prozent. Grund für die Panik waren die Äußerungen des größten Anteilseigners aus Saudi-Arabien, dem angeschlagenen Institut kein weiteres Geld mehr zur Verfügung zu stellen.
SNB und Finma gaben an, „dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgeht“. Der Marktwert der Credit Suisse hatte in dieser Woche bereits einen heftigen Rückschlag erlitten, nachdem die Pleite zweier Banken in den USA die Furcht vor Ansteckung befeuerte und es in der Folge zu Kurseinbrüchen vieler Banken in Europa kam.
Die Credit Suisse gehört zu den 30 Banken weltweit, die also „too big to fail“ eingestuft werden, da ihre Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft haben würde. Deshalb muss sie für einen möglichen Krisenfall mehr Mittel bereithalten.
Die Aktie sank am Mittwoch auf ein neues Tief von 1,99 Franken, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende der saudischen Nationalbank, die letztes Jahr eine Zehn-Prozent-Beteiligung an der Credit Suisse gekauft hatte, eine weitere finanzielle Unterstützung des Schweizer Kreditgebers ausschloss. Die Aussage war unmissverständlich: Ammar Al Khudairy sagte im Interview mit Bloomberg TV auf die Frage, ob die Saudis bereit seien, im Ernstfall frisches Kapital nachzuschießen: „Die Antwort lautet: Absolut nicht, und zwar aus vielen Gründen, der einfachste Grund ist regulatorischer und gesetzlicher Art.“
Auf Unternehmensseite drückten die hohen Kursverluste der Credit Suisse auch andere Bankaktien in die Verlustzone. Der Branchenindex Stoxx Europe 600 Banks verlor 6,6 Prozent. Hierzulande rutschten Deutsche-Bank-Anteile um 8,2 Prozent ab, die Commerzbank-Papiere verloren am Dax-Ende 8,6 Prozent. Finanzwerte zogen auch den EuroStoxx 50 nach unten. Der Index fiel am Mittag um 3,2 Prozent auf 4047,22 Punkte. Der Pariser Leitindex Cac 40 sank mit 3,3 Prozent auf 6906,80 Punkte ähnlich stark, während der britische FTSE 100 zuletzt um 2,3 Prozent auf 7463,94 Punkte nachgab.
Die Verwerfungen kommen nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank in New York. Nachdem die US-Regierung bekannt gegeben hatte, sämtliche Kunden der Banken retten zu wollen, verlagerten im Lauf der Woche viele Kunden ihre Depots zu den großen nationalen Banken. Viele Regionalbanken verzeichneten Kapitalabflüsse. Größter Gewinner dürfte JPMorgan gewesen sein. Bernhard Blaha, Gründungsmitglied und CEO von eCredits, erwartet, dass nach den Marktturbulenzen eine teilwiese Neuorientierung in Richtung von Kryptomärkten eintreten könnte. eCredits ist ein Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Realwirtschaft und Kryptowelt, welches Händlern die Möglichkeit bietet, mit Krypto zu arbeiten. Blaha sagte der Berliner Zeitung: „Die SVB-Pleite hat gezeigt, wie problematisch es ist, dass einzelne Banken das Vermögen ihrer Kunden zentral verwalten. Die Rettungsfonds werden aus den Gebühren der Banken gespeist, und wir wissen natürlich nicht, wie sich die Lage entwickelt.“ Kryptowährungen böten dagegen den Vorteil der Dezentralisierung.
Blaha empfiehlt trotzdem ein Investmentverhalten mit Augenmaß: „Ich rate niemandem, jetzt sein ganzes Vermögen in Krypto zu investieren. Aber ich glaube, es wäre sinnvoll, die Investments zu diversifizieren und einen Teil in Krypto zu verlagern. Zumindest könnte man damit beginnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.“ Man sollte in Krypto so investieren, dass man es für alltägliche Transaktionen verwenden könne, so Blaha. Einen weitergehenden Crash im Finanzmarkt erwartet Blaha nicht: „Wir haben eine relativ große Sicherheit bei unseren Banken, daher besteht kein unmittelbares Risiko, sein Geld bei der Bank zu belassen.“ Auch wenn die Reaktion von Kryptowährungen auf große Finanzkrisen noch nicht bekannt ist, geht Blaha davon aus, dass sich die neue Technologie weiter etablieren wird: „Ich gehe davon aus, dass der Kryptomarkt weiter wachsen wird.“ Blaha sagte, dass durch die staatliche Garantie der Rettung der Silicon Valley Bank auch die von der SVB vertriebene Kryptowährung USDC gerettet worden sei: „Durch den Bail-out sind auch die Stablecoins von USDC sicher.“
Der Preisauftrieb auf Herstellerebene hat sich in den USA im Februar überraschend deutlich abgeschwächt, nachdem auch die Verbraucherpreise zuletzt schon weniger stark gestiegen waren. Die Märkte beruhigte das aber nicht, auch an der Wall Street ging es angesichts der Kursverluste in ganz Europa bergab. Ob die Fed ihren Inflationskampf fortsetzt, gilt wegen der Unruhe im Bankensektor als fraglich.
Auch viele Auto- und Zulieferer-Aktien notierten schwach. Für die Volkswagen-Vorzüge ging es um 3,6 Prozent bergab, der Konzern hatte das Margenziel für seine Kernmarke gesenkt. Die zuvor nach der Jahresbilanz noch gefragten BMW-Aktien konnten dem Abwärtssog ebenfalls nicht standhalten, sie verloren zuletzt ein Prozent. Zunächst hatte der Münchener Autobauer die Anleger noch mit einem höheren Margenziel und einer verbesserten Investitionsquote überzeugen können.
Der Einzelhandel musste ebenfalls Federn lassen, der europäische Retail-Sektor fiel um 4,4 Prozent. Schwache Zahlen bei den Modehändlern H&M und Inditex zogen auch die deutschen Sportartikelhändler mit nach unten. Adidas gab 3,7 Prozent nach, Puma verlor 2,5 Prozent.
Der Euro gab deutlich nach und wurde am Nachmittag mit 1,0539 US-Dollar gehandelt. Die Banken-Turbulenzen trieben die Anleger in sichere Häfen wie Staatsanleihen oder den Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs am Dienstag auf 1,0737 (Montag: 1,0706) Dollar festgesetzt. Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite von 2,38 Prozent am Vortag auf 2,34 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,41 Prozent auf 125,82 Punkte. Der Bund-Future legte kräftig um 2,72 Prozent auf 137,63 Zähler zu.
Die Finanzmarktwelt analysierte, dass die fallenden Renditen für Staatsanleihen ein Signal dafür seien, „dass die Bankenkrise wohl doch noch nicht vorbei ist“.