Den Westen düpiert: China gelingt Allianz zwischen Iran und Saudi-Arabien
Unter Pekings Vermittlung vollzieht sich eine Verschiebung der Kräfte im Nahen Osten. Die USA verlieren an Einfluss.

Es ist ein Abkommen, das den Nahen Osten verändern wird, mehr noch: Die gesamte Weltpolitik muss sich neu orientieren, nachdem am Freitag Saudi-Arabien und der Iran unter chinesischer Vermittlung das Ende ihrer Todfeindschaft bekannt gaben und mitteilten, dass man diplomatische Beziehungen aufnehmen und in den Bereichen Sicherheit und Wirtschaft kooperieren werde. Die New York Times spricht anerkennend von einem „Coup“, der Peking gelungen sei. Die Financial Times analysiert, das iranisch-saudische Abkommen sei „ein Sieg der chinesischen Diplomatie“ und unterstreiche „Pekings wachsenden Einfluss im Nahen Osten“. Es sei „auch eine Herausforderung für die USA, deren traditionell starke Beziehungen zu Riad sich in letzter Zeit abgekühlt haben“.
Der Guardian berichtet, warum China plötzlich so großen Einfluss auf Saudi-Arabien hat, das ja bisher sehr stark an die US-Interessen angebunden war: Der saudische Außenminister, Prinz Faisal bin Farhan al-Saud, habe Anfang vergangener Woche in London die Beziehungen Saudi-Arabiens zu China erläutert und gesagt: „China ist unser größter Handelspartner. Es ist auch der größte Handelspartner der meisten Länder. Und das ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. China ist für uns in vielen Bereichen ein wichtiger und geschätzter Partner. Wir haben ausgezeichnete Arbeitsbeziehungen in vielen Bereichen. Aber wir haben gesagt und wiederholen dies, wir werden immer unsere eigenen Interessen im Auge behalten. Und wir werden sie im Westen und im Osten suchen.“
Die New York Times zitiert einen Carnegie-Forscher, der glaubt, es sei Saudi-Arabien sehr wohl bewusst, dass selbst eine chinesische Garantie ihre Grenzen im Umgang mit dem Iran habe. Doch hätten die Saudis „in den vergangenen Jahren sehr harte Lektionen gelernt“, und eine davon sei, dass das Land seine Beziehungen weiter diversifizieren müsse.
Der Deal wurde in der ganzen arabischen Welt sehr positiv aufgenommen – was eigentlich ungewöhnlich ist, weil sich in den vergangenen Jahren als Ausläufer des Kalten Kriegs noch immer harte Bruchlinien durch die Region gezogen haben. Selbst in Israel sieht man die Möglichkeit, hinter den Kulissen mit Saudi-Arabien ins Gespräch zu kommen. Und auch wenn es nach einer Utopie klingen mag: Der Deal könnte als eine Blaupause für weitere Friedensverhandlungen zwischen ehemaligen Erzfeinden in der Region dienen. Denn in der Übereinkunft wird ausdrücklich Bezug genommen auf Vereinbarungen, die zwischen dem Iran und Saudi-Arabien existiert haben und an die man wieder anschließen wolle. Israel und der Iran hatten lange Zeit sehr enge Beziehungen miteinander. Was möglich ist, zeigt das Abraham-Abkommen, welches zur Aussöhnung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Oman geführt hat.
Natürlich ist noch nicht klar, welche konkreten Auswirkungen die neue Achse haben wird. Doch eines scheint deutlich zu werden: Die Staaten im Nahen Osten wollen nicht mehr Spielball postkolonialer Interessen oder Bauern in Stellvertreter-Kriegen von Großmächten sein. Außerdem haben verschiedene Aktionen des Westens die Rohstoff-Produzenten zusammengeschweißt. Die Härte, mit der der Westen gegen Russland Sanktionen verhängt hat, und die Deutlichkeit, mit der Politiker aus den USA und der EU die Zerstörung der russischen Wirtschaft als Kriegsziele ausgerufen haben, haben im Nahen Osten und in China zu einer unerwarteten Reaktion geführt. Auch der Iran und Syrien müssen mit westlichen Sanktionen kämpfen. Die von Washington forcierte Isolation Chinas zeigt ebenfalls Wirkung – zuletzt in der Abkehr der Niederlande vom Export von Technologie-Komponenten nach China und der deutschen Absage an Huawei. Die zu große Abhängigkeit vom Westen wird plötzlich überall als Problem und nicht mehr als lukratives Privileg gesehen.
Daher stellt sich die Region unter der Führung von China neu auf. Russland deckt dabei die militärische Komponente ab. Laut staatlichen iranischen Medien vom Sonntag hat Teheran mit Russland eine Vereinbarung über den Kauf der hochmodernen Suchoi Su-35-Kampfflugzeuge getroffen. Der katarische TV-Sender Al Jazeera erwartet, dass sich die Spannungen in Syrien, dem Libanon, Jemen und im Irak vermindern werden. Das neue Selbstbewusstsein ist nicht zuletzt wirtschaftlich unterlegt: Saudi-Arabiens staatlich kontrollierter Ölriese Aramco meldete am Sonntag einen Rekord-Nettogewinn von 161,1 Milliarden US-Dollar für 2022 – den größten Jahresgewinn, der jemals von einem Öl- und Gasunternehmen erzielt wurde. Die Region hat offenbar erkannt, dass sie reich genug ist, um sich einen Frieden nach ihren Vorstellungen leisten zu können.