Digitale Aufklärung: Projekt will Migranten im Netz helfen, ihre Rechte zu verstehen

Zwei Fragen hat Moderatorin Natalie Nowag  gleich zu Beginn an das Publikum: „Wer von Ihnen hat schon einmal einen Vertrag im Internet abgeschlossen, zum Beispiel einen Handyvertrag?“ Fast alle Hände schnellen in die Höhe. „Und wer von Ihnen hat sich vorher die Vertragsbedingungen durchgelesen?“ Ertappte Blicke unter den Gästen, die meisten lassen peinlich berührt den Arm sinken, nur vereinzelt meldet sich noch jemand. Nowag lächelt; ungefähr diese Reaktion hatte sie erwartet. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGBs, seien oft kompliziert, sagt sie. „Und wenn sie für uns, die gut Deutsch sprechen, schon kompliziert sind, kann man sich vorstellen, wie schwierig sie für viele Migrantinnen und Migranten sind.“

Nowag führte am Dienstag durch die Fachtagung „Migrantenorganisationen und Verbraucherschutz: Herausforderungen der digitalen Welt“, die sich genau diesem Problem widmet. Eingeladen in das Russische Haus in der Friedrichstraße hatten die Verbraucherzentrale Berlin und der Verein Club Dialog, die größte russischsprachige Community Berlins.

Online-Kauf birgt einige Risiken

Nicht nur Handyverträge oder Pay-TV-Abos lassen sich heute bequem im Internet abschließen. Auch das Einkaufen im Netz wird immer beliebter. Gerade Migranten, die Produkte aus ihrer Heimat vermissen, nutzen das Online-Angebot, um etwa ausländische Lebensmittel zu bestellen. Das sei zwar praktisch, sagt Katerina Ulvert von der Verbraucherzentrale Berlin, berge aber auch Risiken. Viele Migranten fänden sich auf den deutschsprachigen Seiten nicht zurecht, Angaben zu Rückgabebedingungen, Kündigungsfristen oder Datenschutz seien schwer zu finden oder unverständlich formuliert, Vertragsfallen würden mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht erkannt.

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Die Folgen beobachtet Ulvert jeden Tag: „Es gibt die einen, die den Angeboten blind vertrauen, und die anderen, die das Internet aus Angst vollständig meiden.“ Um beiden Gruppen zu helfen, gibt es seit 2014 das Projekt „Migranten und Verbraucherschützer in digitalen Märkten“ der Verbraucherzentralen Berlin, Hamburg und Bremen. Gefördert wird die Initiative vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Ziel ist es, türkisch- und russischsprachige Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Auf der Internetseite des Projekts finden Ratsuchende Informationen auf Deutsch, Türkisch und Russisch, Rechtsexperten bieten sowohl in den Verbraucherzentralen selbst, als auch in einem Onlineforum kostenlos ihre Hilfe an.

Kooperation mit Migrantenorganisationen als Schlüssel

Nicht nur Ulvert wertet das Projekt als großen Erfolg. Auch andere Referenten wie Andreas Germershausen, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, und Heike Gehrke, Referatsleiterin im Justiz- und  Verbraucherschutzministerium, betonten die Wichtigkeit der Initiative, die Migranten erst dazu ermächtige, ihre Rechte als Verbraucher wahrzunehmen. Für besonders wichtig erachteten alle Beteiligten dabei die Kooperation mit Migrantenorganisationen wie dem Verein Club Dialog. Seit Juli 2017 hilft er dabei, das Hilfsangebot der Verbraucherzentralen in der russischsprachigen Gemeinschaft in Berlin bekannter zu machen, etwa durch Vorträge in russischen Schulen oder bei den Eltern- oder Seniorentreffs des Vereins.