Dussmann-Erbe: Erbitterter Kampf um 650 Millionen Euro

Berlin - Nicht der Mangel, der Überfluss gebiert die Habsucht. Zu dieser Einsicht gelangte der französische Humanist Michel de Montaigne vor  450 Jahren. Dass seine Worte noch heute gelten, zeigt die Familienfehde um das Erbe des Berliner Unternehmers Peter Dussmann. Dabei streiten die Ehefrau des im September 2013 verstorbenen Selfmade-Millionärs und deren gemeinsame  Tochter um die Aufteilung des auf 650 Millionen Euro geschätzten Nachlasses. Gekämpft wird mit – zurückhaltend formuliert – harten Bandagen.  Verlauf und Niveau der Auseinandersetzung taugen als Krimiplot ebenso wie für eine Neuauflage des Denver Clans. Auf beiden Seiten haben sich renommierte Anwaltskanzleien in Stellung gebracht, der Verhandlungstermin vor dem Landgericht Berlin wird voraussichtlich im Herbst stattfinden.

Es ist, wie oft in familiären Schlammschlachten, nicht leicht, unstrittige Fakten von Interpretationen, Unterstellungen und Behauptungen der Kontrahenten abzugrenzen. Fest steht: Peter Dussmann gründet in den 60er Jahren einen Kleinbetrieb für Pflege- und Reinigungsdienste, baut diesen in den drauffolgenden Jahrzehnten zu einem Unternehmen mit 60 000 Beschäftigten und rund zwei Milliarden Euro Jahresumsatz aus und steigt zu einem der 200 reichsten Deutschen auf. Im Oktober 2008 erleidet Peter Dussmann auf seiner vor Ostia ankernden Jacht einen schweren Schlaganfall. Er wird erst am nächsten Tag aufgefunden, in Rom mehr schlecht als recht versorgt und schließlich per Flugzeug in die Berliner Charite überführt.

Zwei unterschiedliche Testamente

Dort stellen die Ärzte fest, dass der 70-Jährige weder handlungs- noch äußerungsfähig ist. Auf dieser Grundlage wird bei Gericht eine Betreuung beantragt, die zunächst vorläufig angeordnet wird. Begründung: Dussmann sei außerstande, rechtsgeschäftlich bindender Willenserklärungen abzugeben. Sechs Monate darauf verlängert das Gericht die Betreuung auf die gesetzliche Höchstdauer von sieben Jahren. Offenbar rechnet niemand mehr mit einer substanziellen Verbesserung seines Zustandes. Am 26. September  2013 stirbt Peter Dussmann, zwei Wochen vor seinem 75. Geburtstag, in Monaco an den Spätfolgen des Schlaganfalls in einem Krankenhaus in Monaco.

Schnell deutet sich an, dass es bei der Aufteilung des Erbes alles andere als einvernehmlich zugehen wird. Denn es tauchen zwei Testamente höchst unterschiedlichen Inhaltes auf: Eines stammt aus dem Jahr 1981 und sieht die hälftige Aufteilung des Erbes an Dussmanns Ehefrau, Catherine von Fürstenberg Dussmann, sowie an die gemeinsame Tochter Angela vor. Das zweite, notariell beglaubigte Testament datiert vom Mai 2010 und gesteht der Tochter nur mehr den Pflichtanteil von 25 Prozent zu. Drei Viertel des Vermögens sollen demnach der Witwe zufallen.

Tochter Angela aber erkennt dieses Testament nicht an und sieht sich  von der Mutter um einen beträchtlichen Erbteil betrogen. Die Argumentation zielt auf die Spätfolgen des Schlaganfalls. Aufgrund seines Gesundheitszustands sei Peter Dussmann im Mai 2010 in keiner Weise zu einer freien und eigenständigen Willensbildung  in der Lage gewesen, geschweige denn zu mündlichen oder schriftlichen Äußerungen. Der Firmenchef sei nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, dies belegten Krankenakten aus dem fraglichen Zeitraum, in denen maßgebliche Verhaltensauffälligkeiten dokumentiert seien.

Auf dieser Grundlage fordert Angela Göthert, so der Name der Tochter seit ihrer Eheschließung mit dem Heilpraktiker Ronald Göthert im Jahr 2006, nicht allein den ihr im ersten Testament zugestandenen 50-Prozent-Anteil am Erbe. Sie möchte zudem erwirken, dass die nach dem Schlaganfall des Vaters erfolgten Umstrukturierungen im Dussmann-Imperium rückgängig gemacht werden. Denn als Folge des Umbaus sitzt Mutter Catherine, eine ehemalige US-Schauspielerin, dem Rat der neu gegründeten Stiftung vor und hat damit faktisch die Kontrolle über den Konzern.

Probleme mit Schwiegersohn

Um die Person ihres Schwiegersohns Ronald herum errichtet Catherine von Fürstenberg-Dussmann ihr Argumentationsgebäude: Peter Dussmann, ein zupackender Realist, sei von der Verbindung zu dem esoterisch angehauchten Heilpraktiker alles andere als begeistert gewesen. Seine Hoffnungen, Tochter Angela werde ihm dereinst an der Spitze des Unternehmens folgen, seien mit der Eheschließung 2006 zerstoben. Der zuvor enge Kontakt mit der Tochter sei nur noch sporadisch gepflegt worden. Dussmann habe verhindern wollen, dass das Erbe über den Umweg der Tochter dem „Guru“ zufalle, wie er Göthert wenig liebevoll genannt habe. Die Sorge um seine Tochter und die Zukunft des Unternehmens habe Dussmann auch gegenüber prominenten Freunden wie dem ehemaligen Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, geäußert, was dieser bezeugen könne. Gleichwohl habe der Firmenchef die Hoffnung gehegt, seine Tochter werde sich doch noch von Göthert abwenden, der auf Basis einer „Göthertschen Feinstofflehre“ Behandlungen vornimmt. Nur aufgrund dieser Hoffnung habe der Patriarch seine Tochter nicht enterbt, obwohl er 2006 erfahren hatte, dass alsbald mit einem Schlaganfall zu rechnen sei.

Seltsame Umstände

Im Mai 2010 dann habe Peter Dussmann den Wunsch nach einer Testamentsänderung geäußert, indem er „alles, alles“ gerufen und auf Gattin Catherine gedeutet habe. Ein Arzt bescheinigte,  Dussmann sei „geistig rege“, ein Notar erstellte auf dieser Grundlage ein Testament, dessen Inhalt der Patient  nach Darstellung der Witwe durch Nicken zustimmte. Zu den Eigentümlichkeiten dieses Vorgangs zählt, dass besagter Mediziner nur ein Jahr zuvor am Betreuungsgericht die Geschäftsunfähigkeit Dussmanns attestiert hatte. Zudem handelte es sich bei dem mittlerweile ebenfalls verstorbenen Arzt um einen befreundeten Proktologen, also einen Darmspezialisten ohne ausgewiesene neurologische Expertise. Die Formulierung „geistig rege“ ist denn auch kein eingeführter Fachbegriff, um die Geschäftsfähigkeit eines Patienten zu attestieren.

Aus diesen Behauptungen folgert Tochter Angela Göthert, 33, das zweite Testament sei aufgesetzt und beglaubigt worden, ohne dass Peter Dussmann daran bewusst und willentlich Anteil hätte haben können. Sollte sich herausstellen, dass das Testament gegen oder ohne den Willen des Erblassers und etwa auf Betreiben der Haupterbin aufgesetzt wurde, könnte das Gericht aufgrund dieses Verhaltens Catherine von Fürstenberg-Dussmann für „erbunwürdig“  erklären. Folgt das Gericht dieser Darstellung, würde die Tochter alles erben. Der Witwe ginge es dann wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau: Der Wunsch nach immer mehr führt am Ende bekanntlich zum Totalverlust.