E-Zigaretten: Er mag den dichten, weißen Dampf
Ben raucht nicht mehr, er dampft. Vor vier Monaten hat er seine erste E-Zigarette im Internet bestellt. Während er Ladegerät, Ersatzverdampfer und Liquid auspackte, rauchte er noch eine Zigarette.
Es sollte seine letzte sein.
Ben ist 33 Jahre alt und arbeitet freiberuflich als Fotograf in Berlin. Er sitzt in einem Ledersessel in seinem Wohnzimmer, draußen vor dem Fenster rauscht die U-Bahn Richtung Eberswalder Straße. Ben dreht seine E-Zigarette zwischen den Fingern hin und her, steckt sie in den Mund, drückt den Knopf in der Mitte, zieht, kurz, flach, und stößt einen Schwall dichten, weißen Dampf aus.
Der Dampf war ihm wichtig, längst hat er seine erste E-Zigarette eingetauscht gegen eine, die mehr dampft als das Einsteigermodell. Ihm gefällt „diese Beschäftigung mit dem Mund“, an die er seit über 20 Jahren gewöhnt ist, die er mit einem Nikotinpflaster nicht mehr gehabt hätte. Ben mag das Rauchritual. Doch vor allem überzeugte ihn der „Hit“, den er spürte, als er das erste Mal aus Neugier an der E-Zigarette seines Nachbarn zog, dieses Gefühl im Hals, „dass man etwas abbekommt“.
Der muffige kalte Rauch störte ihn
Rauchen war für Ben schon lange kein Genuss mehr, wenn es das überhaupt je war. Seine erste Zigarette steckte er sich mit dreizehn an, mit vierzehn rauchte er regelmäßig, am Ende waren es anderthalb Schachteln am Tag. Die Zigarette war das Erste, was er nach dem Aufstehen suchte. Die letzte rauchte er vor dem Schlafengehen. „Ich war stark abhängig“, sagt Ben. Er war nie einer, der das schönredete. Er merkte ja jeden Tag, wie schlecht es für ihn war, etwa schnaufend die Treppen zu seiner Wohnung im vierten Stock hochstieg.
Irgendwie, sagt er, habe er schon aufhören wollen. Als er 28 Jahre alt wurde, nahm er sich vor, mit 30 Schluss zu machen. An seinem 30. Geburtstag verschob er es auf den Tag, an dem er Vater werden würde. „Ich bin mir sicher, dass mir dann wieder etwas Neues eingefallen wäre“, sagt er. Er hat es nie ernsthaft versucht. Aber es störte Ben, wenn er merkte, wie sehr seine Kleidung und seine Wohnung nach kaltem Rauch rochen.
Der Dampf von Bens E-Zigarette verzieht sich binnen Sekunden. Ein Hauch von Süßlichem bleibt in der Luft, es riecht eher nach Wasserpfeife als nach Tabakrauch. Ben dampft überall, im Café, im Taxi, bei seinen Fotoshootings. Manchmal fragt er vorher, manchmal dampft er einfach los – dann kommen die Blicke. Doch nur ein Mal wurde er bisher in einem Restaurant gebeten, die E-Zigarette auszumachen.
Meistens ist die Neugier groß. „Ich hätte manchmal am liebsten Infozettel dabei“, sagt Ben. Denn er ist keiner von denen, für die die E-Zigarette zum Hobby wird, zum Lifestyleobjekt. „Klar, man kann sich da stundenlang drüber unterhalten“, sagt Ben, über unterschiedliche Verdampfer, über Liquidsorten, die es in Piña Colada und Schwarzwälder Kirsch gibt, auch über Politiker wie die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), die die E-Zigarette verbieten will. Ben interessiert das alles nicht. Er will den Tabakgeschmack. Er will den „Hit“. Er will das Nikotin. Mehr nicht.
„Ich habe nur einmal wieder an einer richtigen Zigarette gezogen, aus Neugier“, sagt der Dampfraucher. „Nach der Hälfte habe ich sie ausgedrückt.“ Vor Kurzem ist Ben auf ein Liquid mit geringerer Nikotindosis umgestiegen.
Eine chinesische Erfindung
E-Zigaretten sind innerhalb weniger Jahre zu einem weltweiten Trendprodukt geworden. Erfunden hat das Sucht-Gadget der chinesische Apotheker Hon Lik, Mitbegründer und Geschäftsführer der Firma Ruyuan, deren Name übersetzt „wie Rauch“ bedeutet. Es brachte 2004 die ersten E-Zigaretten auf den Markt. Der 54-Jährige Hon rauchte einst selbst drei Packungen täglich.
Dabei hätte er sich der Risiken eigentlich bewusst sein müssen: Hon studierte traditionelle chinesische Medizin und forschte an Kräutermixturen und Ginseng-Rezepturen. Aber er war mit Zigarettendunst groß geworden, denn auch sein Vater rauchte Kette. Als dieser an Lungenkrebs erkrankte, beschloss der Sohn, sich das Rauchen abzugewöhnen.
Da Nikotinpflaster und Kaugummis für Hon eine schlechter Ersatz waren, machte er sich auf die Suche nach einer Alternative. Die entscheidende Idee sei ihm im Jahr 2000 im Traum gekommen, erzählt er. Darin sei er am Ertrinken gewesen, bis sich das Wasser um ihn herum plötzlich in Nebel aufgelöst habe. Hon tüftelte an einem Mechanismus, mit dem sich ein Vernebler für Nikotinlösung in einen etwa zigarettengroßen Stift einbauen ließ.
Um die Ähnlichkeit noch zu erhöhen, montierte er in die Spitze eine rote Leuchtdiode. 2003 meldete Hon seine E-Zigarette zum Patent an, 2004 kam sie in China erstmals auf den Markt. Einen der ersten Prototypen ließ Hon seinen sterbenden Vater testen und ist überzeugt, dass dieser wohl länger gelebt hätte, wenn es früher E-Zigaretten gegeben hätte. Zwar ist Hons Idee, auf die 1965 übrigens bereits ein US-Erfinder gekommen war, inzwischen vielfach kopiert worden, doch er hält sich noch immer für den innovativsten Elektroraucher: Inzwischen hat die Firma Ruyuan auch elektronische Zigarren und Pfeifen im Sortiment.