Eigentor bei Importverbot? – „Russisches Gold wird seinen Weg in die Welt finden“
Ein Importverbot von russischem Gold soll aus der Sicht der G7-Länder „das Herz der Kriegsmaschinerie“ von Präsident Putin treffen. Kann das funktionieren?

Die G7-Staaten werden auf dem Gipfel in Bayern bis Dienstagabend ein Importverbot für russisches Gold verkünden, twitterte US-Präsident Joe Biden am Sonntag. Einen gemeinsamen Beschluss gibt es noch nicht. Großbritannien, Japan und Kanada vertreten aber ebenfalls diese Initiative.
Der Importstopp werde „die russischen Oligarchen direkt treffen“ und „das Herz der Kriegsmaschinerie“ von Präsident Wladimir Putin angreifen, argumentierte der britische Ministerpräsident Boris Johnson. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte seinerseits am Montag an, die Maßnahme innerhalb der EU zu diskutieren. Nach Reuters-Angaben könnte das siebte Sanktionspaket der EU dieses Verbot enthalten.
Once again this will backfire. @JoeBiden will hit Americans, not #Putin, as its Americians who will end up paying higher prices for #gold. If anything Biden just did #Russia a favor.https://t.co/bsIJ2abg9P
— Peter Schiff (@PeterSchiff) June 25, 2022
Doch ist es in der Lage, „das Herz der Kriegsmaschinerie“ im Kreml anzugreifen? Nach Einschätzung von US-Außenminister Antony Blinken wird Russland dadurch 19 Milliarden US-Dollar jährlich verlieren. Parallel twitterte jedoch der populäre US-amerikanische Ökonom und Börsenmakler Peter Schiff (59) empört, dass ein Verbot von Gold-Importen aus Russland „wieder einmal ins Auge gehen wird“. Biden werde mit dieser Entscheidung Amerikaner treffen, nicht Putin, so Schiff, da gerade die Amerikaner am Ende höhere Preise für Gold zahlen werden. Schiffs Urteil: „Biden hat Russland gerade einen Gefallen getan.“
Was soll „ins Auge gehen“?
Russische Goldhändler bezeichnen die neue Sanktion als „merkwürdig“, denn ein Einfuhrverbot für russisches Gold – und Russland exportiert generell sowohl das unbearbeitete Rohgold, als auch die Goldbarren als eine Ware – existiert schon seit Monaten. Im März hatten die USA alle Deals mit Gold verboten, das einen Bezug zur russischen Zentralbank hat. Einer der führenden Märkte von Edelmetallen, die sogenannte London Bullion Market Association, entzog den russischen Gold-Raffinerien vorübergehend den Good-Delivery-Status, also den Status „der guten Lieferungen“, und machte die Exporte von russischem Gold nach Großbritannien unmöglich. Die Schweiz kauft zwar das russische Gold, wie ein Kauf von drei Millionen Euro im Mai zeigt. Was soll die offizielle Maßnahme der G7 und später womöglich der EU also bewirken?
„Gold ist nichts, was man zum täglichen Leben braucht, wie Benzin oder Gas“, erläutert der Goldexperte vom Anlegermagazin Der Aktionär, Markus Bußler, in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung. Er geht jedoch anders als Peter Schiff nicht davon aus, dass Gold in den nächsten Monaten gerade wegen des Einfuhrverbots gegen Russland steigen werde – wie beim Öl oder teilweise bei Gas.
Wegen der Inflation und der steigenden Nachfrage schon, aber ansonsten werde der Goldpreis auf den Terminmärkten gemacht und sei wenig vom physischen Angebot abhängig, so Bußler.
„Aber das physische Exportangebot wird sich nicht wirklich ändern, denn Russland kann das Gold etwa nach Asien oder Indien verkaufen, und Asien verkauft es weiter. Keiner prüft heutzutage wirklich, woher das Gold kommt, und die Exportrouten sind schwer zu verfolgen. So wird russisches Gold schon seinen Weg in die Welt und andere Abnehmer finden, vielleicht wieder die Schweiz.“ Gerade die Schweizer Raffinerien verarbeiten bis zu drei Viertel des globalen Goldumsatzes. Die G7-Maßnahme sei also „ein Schlag ins Wasser“, eine symbolische Maßnahme, sagt Bußler, denn sie schade Putin nicht wirklich.
Die russische Zentralbank kauft im großen Stil ein – und stärkt den Rubel
Der Goldpreis ist in den vergangenen Tagen nur sehr leicht um 21 Dollar auf 1839 US-Dollar pro Feinunze gestiegen. Russland, der mit 8,5 Prozent Marktanteil nach China und Australien drittgrößte Goldproduzent der Welt, lieferte 2021 den Großteil der eigenen Produktion nach Großbritannien bzw. in den Westen, darunter 5,5 Tonnen nach Deutschland. Die Schweiz, Kasachstan, Indien, Belarus und die Türkei waren nach Angaben des Föderalen Zolldienstes Russlands andere wichtige Goldabnehmer.
„Die USA und Großbritannien dürfen also verhindern wollen, dass Russland sich Devisen beschafft, indem die russische Zentralbank wieder Gold verkauft“, sagt der Goldexperte Bußler weiter. „Aber haben die Länder, die ein Embargo gegen Russland unternehmen, einen exklusiven Einfluss auf den internationalen Goldmarkt? Das bezweifle ich. Die russischen Oligarchen werden sich vielleicht weniger an Goldexporten bereichern, aber auch die werden ihre Exporte diversifizieren können.“
Immerhin waren die Goldexporte 2021 neben den Gas- und Ölexporten eine wichtige Einnahme Russlands, sodass der russische Staatshaushalt wenigstens kurzfristig einbüßen wird. Doch sollte der Goldpreis weiter steigen, wie Peter Schiff und einige russische Goldexporteure erwarten, könnte Russland die Verluste etwas ausgleichen. Mittlerweile müssten die russischen Goldexporteure nach Angaben des Vorsitzenden der russischen Goldproduzenten Sergej Kaschuba nur noch unorganisierte internationale Märkte beliefern, wo Rabatte erwünscht und die Risiken groß seien.
Den Rest beschafft die Russische Zentralbank im großen Stil mit einem Rabatt von 15 Prozent im Vergleich zu den Weltpreisen – und erhöht so die eigenen Goldreserven, nachdem der Westen die russischen Devisen im Wert von 300 Milliarden US-Dollar als Strafe für den russischen Überfall auf die Ukraine eingefroren hatte. Der zweitgrößte Goldproduzent Russlands Polymetal meldete seinerseits Ende Juni eine Wiederbelebung der Exportkanäle nach Asien.