Nach Nord Stream: EU-Kommission will jetzt auch noch russisches LNG verbannen
Nach dem Ende von Nord Stream kauft Europa mehr Flüssigerdgas, oder LNG, aus Russland. Die EU-Kommission will das beenden.

Die Nord-Stream-Gaspipelines liegen in der Ostsee zerstört, und es fließt fast kein Pipeline-Gas mehr nach Europa, abgesehen von den kleinen Mengen aus dem Ukraine- und noch kleineren aus dem Türkei-Transit. Die russischen LNG-Exporte nach Europa sollen bereits in den ersten neun Monaten des letzten Jahres um rund 46 Prozent gestiegen sein, wie die internen EU-Statistiken belegen.
Auch die Bundesregierung konnte zuletzt nicht ausschließen, dass das LNG aus Russland, das in Europa ankommt, auch nach Deutschland gelangt. Sollte es der Fall sein, bedeutet das, dass eine vollständige Unabhängigkeit von russischem Gas bis 2023, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sie prognostiziert hatte, eine Illusion ist.
EU-Kommissarin fordert: Kein LNG mehr aus Russland
Doch jetzt ruft die EU-Kommission die europäischen Gasimporteure auf, die Lieferverträge zum russischen LNG zu beenden oder nicht zu verlängern. Die EU-Energiekommissarin Kadri Simson hat neulich an die EU-Staaten appelliert, kein Flüssigerdgas aus Russland mehr zu beziehen. „Wir können und sollten russisches Gas so schnell wie möglich vollständig abschaffen und dabei unsere Versorgungssicherheit im Auge behalten“, sagte die EU-Energiekommissarin Kadri Simson am Donnerstag weiter dazu bei einem Treffen der EU-Gesetzgeber.
Ob auf diese Aufrufe offizielle Verbote folgen werden, bleibt unklar. Im Rahmen des REPowerEU-Plans wird jedoch offiziell die Beendigung der Abhängigkeit der EU von russischem Gas vor 2030 angestrebt.
Insgesamt haben sich die Lieferungen von russischem Flüssigerdgas nach Europa laut einer EU-Analyse von rund 16 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2021 auf 22 Milliarden Kubikmeter im Jahr erhöht: ein Zustieg von rund 38 Prozent. Der wichtigste LNG-Lieferant der EU bleiben aktuell die USA. Die Berliner Zeitung hatte bereits berichtet, wie die US-Konzerne die nach dem Ende der Nord-Stream-Lieferungen entstandene Lücke mit LNG füllen.
Diese Verträge haben EU-Unternehmen mit russischem LNG
Der größte Teil vom Flüssigerdgas, das nach Europa aus Russland exportiert wird, stammt vom zweitgrößten russischen Erdgasförderer Nowatek (Novatek). Der Konzern mit Sitz in Westsibirien und in Moskau ist, anders als der Staatskonzern Gazprom, ein privates börsennotiertes Unternehmen. Es gehört mehrheitlich dem Oligarchen Leonid Michelson, der in der EU bisher nicht sanktioniert wurde. Das Unternehmen bezieht das LNG hauptsächlich aus der LNG-Anlage Yamal mit einer Kapazität von mehr als 16,5 Millionen Tonnen pro Jahr.
Der einzige Vertrag, der die Lieferung von LNG nach Europa aus diesem Projekt beinhaltet, ist nach Angaben der russischen Geschäftszeitung Kommersant eine Vereinbarung mit der spanischen Naturgy mit einem Liefervolumen von 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr, die bis 2038 gültig ist und an die EU-Häfen gebunden ist. Der Vertrag mit der französischen TotalEnergies mit einem Liefervolumen von vier Millionen Tonnen pro Jahr und einer Laufzeit bis 2032 wurde dagegen auf einer anderen Basis abgeschlossen und sieht daher nicht zwingend eine Lieferung an den europäischen Markt vor.
Außerdem hat TotalEnergies bereits einen Vertrag mit einem Liefervolumen von über zwei Millionen Tonnen pro Jahr aus dem zukünftigen Projekt von Nowatek, Arctic LNG-2. Der Vertrag soll bis 2043 laufen. Das Sachalin-2-Projekt von Gazprom hat keine langfristigen Verträge mit europäischen Unternehmen – der 2028 auslaufende Vertrag mit Shell über eine Million Tonnen LNG wird de facto nicht mehr erfüllt.
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