Stromanbieter „entlastet“ Kunden um einen Euro? Neue Vattenfall-Briefe sorgen für Unmut

Am 1. März tritt die Strompreisbremse in Kraft und Anbieter verschicken bereits Briefe mit dem neuen Abschlag. Warum zahlen viele Kunden nur einen Euro weniger?

Das Heizkraftwerk Lichterfelde von Vattenfall: Das Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk auf Erdgasbasis versorgt den Berliner Süden mit Strom und Fernwärme.
Das Heizkraftwerk Lichterfelde von Vattenfall: Das Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk auf Erdgasbasis versorgt den Berliner Süden mit Strom und Fernwärme.Jochen Eckel/imago

Im Dezember wurden sie beschlossen und werden ab dem 1. März endlich implementiert, auf Januar und Februar rückwirkend: die Strom- und Gaspreisbremsen. Ihr Prinzip ist es, dass die Energielieferanten 80 Prozent des geschätzten Verbrauchs ihrer Kunden zu einem deutlich niedrigeren Preis abrechnen und die restlichen 20 Prozent zum aktuellen Preis. Die Preisdifferenz übernimmt der deutsche Staat.

So müssen die Verbraucher in Deutschland, die im letzten Jahr und seit dem 1. Januar 2023 mehrere Preiserhöhungen hinnehmen mussten, nach der Logik der Bundesregierung entlastet werden. Desto mehr ist die Enttäuschung bei den Kunden, wenn sie neulich erfahren, dass sie nur einen oder maximal ein paar Euro weniger zahlen werden.

Strompreisbremse: Statt 90 Euro muss ein Kunde jetzt 89 Euro zahlen

Die Berliner Kunden von Vattenfall bekommen derzeit Briefe, die sie enttäuscht zurücklassen. Es wird mitgeteilt, dass im Zuge der Strompreisbremse der Abschlag „um die Rekordhöhe von einem Euro“ herabgesetzt wurde, wie ein empörter Kunde der Berliner Zeitung schreibt. In einem Fall muss er künftig monatlich 89 Euro für den Strom zahlen statt 90 Euro. Eine andere Vattenfall-Kundin aus Berlin, bei der früher etwa 113 Euro monatlich abgebucht wurden, „darf“ jetzt nur 110 Euro zahlen. Wie kann es sein, dass nur ein oder ein paar Euro am Ende rauskommen, fragen sich die Menschen, nachdem sich „viele hoch bezahlte Politiker, Verwaltungsbeamte und Stromkonzerne wochenlang den Kopf zerbrochen haben, wie sie den Bürgern helfen könnten“?

Was auf den ersten Blick skandalös wirkt, enttarnt sich beim näheren Betrachten als eine logische Konsequenz aus einer nicht besonders niedrig gesetzten Preisbremse. Denn diese sieht lediglich eine Vergünstigung des Strompreises auf 40 Cent pro kWh für 80 Prozent des Stromverbrauchs vor. Bei Vattenfall als Grundversorger Berlins für Strom liegt der Arbeitspreis in der Grundversorgung nach der letzten Erhöhung zum 1. Februar gerade bei 41,41 Cent pro kWh. Zuvor, als die Strompreisbremse beschlossen wurde, belief sich der Arbeitspreis bei Vattenfall noch auf 33,12 Cent pro kWh.

„Nur die Kunden mit einem höheren Verbrauchspreis profitieren“

Vattenfall verteidigt deswegen ihre Entscheidung, die Abschläge in der Grundversorgung nur knapp anzupassen. „Bei einem Arbeitspreis von 41,41 Cent pro kWh in der Grundversorgung und einer Preisbremse von 40 Cent pro kWh ist die Wirkung auf den Abschlag natürlich gering“, kommentiert der Vattenfall-Sprecher Christian Jekat der Berliner Zeitung. „Kunden profitieren deshalb schon sehr lange von unserer günstigen Preisstellung. So sind etwa die Berliner Stadtwerke mit einem Arbeitspreis von 58,20 Cent/kWh rund 40 Prozent teurer als wir“, so der Sprecher.

Wer eine Preisgarantie für etwa zwölf Monate will, zahlt allerdings auch bei Vattenfall mehr. Von der Strompreisbremse würden diejenigen Kunden profitieren, fasst Christian Jekat zusammen, die mit ihrem Verbrauchspreis oberhalb der Strompreisbremse liegen würden. „Wenn der Verbrauchspreis unterhalb der Strompreisbremse liegt, ändert sich nichts.“

Viele praktische Hürden bei der Implementierung der Strompreisbremse

Hätte die Bundesregierung die Preisbremse niedriger gesetzt, müssten der Staat oder im Grunde genommen die Steuerzahler am Ende auch mehr an die Energielieferanten erstatten. Es ist zwar geplant, die Strompreisbremse teilweise durch das Abschöpfen der Übergewinne der Stromkonzerne zu finanzieren, doch inwiefern das wirklich funktionieren wird, bleibt offen.

Wie der Vattenfall-Sprecher weiter mitteilt, wird der tatsächliche preisliche Effekt der Entlastungsmaßnahme rückwirkend zum 1. Januar auf der nächsten Turnusrechnung ausgewiesen. Es kann also sein, dass die Kunden am Ende doch etwas mehr sparen, als durch die nichtige Senkung des Abschlages um einen Euro. Der Frage, ob Vattenfall mit einer rechtzeitigen Übernahme der Preisdifferenz durch den Staat rechnet, weicht der Sprecher diplomatisch mit dem Hinweis auf praktische Hürden aus. Es werde noch Wochen dauern, so die Antwort, bis alle Hürden gelöst seien.

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