Energie-Preise explodieren: Ab Herbst kommt die „Putin-Gasumlage“
Der Energie-Experte Christian Hampel erwartet ab dem Herbst eine drastische Erhöhung der Energiepreise - für private Haushalte und Unternehmen.

Berliner Zeitung: Der neue EU-Kompromiss zum Energie-Notfallplan sieht vor, dass es keine einheitlich durchsetzbaren Ziele zum Einsparen für die europäischen Staaten gibt. Minister Habeck hat schon angekündigt, dass Deutschland mehr sparen wird müssen als 15 Prozent. Was bedeutet das?
Christian Hampel: Die EU hat nach einem politischen Kompromiss einen Gas-Notfallplan mit Sparempfehlungen an die Mitgliedsstaaten vorgestellt. Die EU-Mitgliedsländer sollen danach zunächst auf freiwilliger Basis 15 Prozent Gas einsparen. Dabei sind allerdings viele Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen. Sollten die freiwilligen Einsparziele nicht ausreichen, kann sie die Staaten per Gaseinsparverordnung zum Sparen verpflichten. Die Hürden für die Einführung der verbindlichen Einsparziele sind durch das Erfordernis eines EU-Ratsbeschlusses allerdings hoch.
Offiziell liegen wir in Deutschland aktuell bei ca. 14%-15% Einsparungen beim aktuellen Gasverbrauch. Nach Aussagen von Minister Habeck brauchen wir aber eine Einsparung von ca. 20% in Deutschland, um eine Gasmangellage abzuwenden. D.h. es wird zusätzliche Einsparungen geben müssen. Ob die in Wege geleiteten Instrumente, z.B. die Möglichkeit Gaskraftwerke ab- und Kohlekraftwerken anzuschalten, dafür ausreichen, ist fraglich. Neue Instrumente, die zu spürbaren Einschnitten auch für Privatkunden führen, z.B. das Absenken der zulässigen Raumtemperatur in Wohnräumen, werden bereits diskutiert. Auch die Rationierung von Gas für Unternehmen steht weiter auf der Tagesordnung.
Worauf müssen sich Unternehmen einstellen – bzw. wie können sie verhindern, dass ihnen das Gas abgedreht wird?
Die Unternehmen müssen sich auf einen weiter hohen oder evtl. sogar weiter steigenden Gaspreis einstellen. Viele Unternehmen haben aktuell ihren Gasbedarf für das Jahr 2023 noch nicht vollständig eingekauft. Sie wird dieser Preisanstieg besonders treffen. Zudem ist es aktuell äußerst schwierig, überhaupt noch einen Lieferanten für große Gasmengen zu finden. In jedem Fall kann ab 1.9.22 oder 1.10.22 von allen Gaskunden in Deutschland die sog. „Putin-Gasumlage“ in Höhe von voraussichtlich 2-3 ct/kWh verlangt werden. Unabhängig von den bestehenden Verträgen besteht zudem die Möglichkeit, dass Unternehmen das Gas abgedreht wird.
Sollte aus Russland dauerhaft nur noch sehr wenig oder gar kein Gas mehr geliefert werden, wird die Bundesregierung kaum anders reagieren können, als die Notfallstufe nach dem Notfallplan Gas auszurufen. Dann sind durch die Bundesnetzagentur angeordnete Verbrauchsbeschränkungen möglich. Möglichkeiten sich gegen Anordnungen der Bundesnetzagentur vorab zu wehren, bestehen nur begrenzt. Für Unternehmen mit großem Gasbezug ist empfehlenswert, gleichwohl einen sog. Schutzantrag an die Bundesnetzagentur zu richten, um für den Fall, dass das Gas abgedreht wird, zumindest einen evtl. Schadensersatzanspruch geltend machen zu können.
Welche Konsequenzen müssen die Konsumenten erwarten – und können sich Haushalte überhaupt gegen Rationierungen wehren?
Auch Konsumenten müssen sich auf einen weiter hohen oder evtl. sogar weiter steigenden Gaspreis einstellen. Auch sie werden ab 1.9.22 oder 1.10.22 die sog. „Putin-Gasumlage“ in Höhe von voraussichtlich 2-3 ct/kWh zahlen. Rationierungen sind für Haushalte zwar nach aktueller Gesetzeslage nicht zu befürchten, da sie zu den sog. geschützten Kunden gehören. Diskutiert wird aber aktuell diesen „generellen Vorrang“ für Konsumenten abzuschaffen.
Wie komplex ist der Gesetzgebungsvorgang, um den „generellen Vorrang“ für Konsumenten abzuschaffen – geht das mit einer Art Notverordnung?
Nein, dafür müsste es ein „ordentliches“ Gesetz geben.
Christian Hampel ist Energie-Experte, Partner und Rechtsanwalt bei der Beratungsgesellschaft BDO Legal in Berlin.