Einmalzahlung für Studierende: Holpriger Start und erste Erfolge

Der Staat greift Hochschülern in der Energiekrise mit 200 Euro unter die Arme. Doch der Start der Hilfsaktion gestaltet sich kompliziert.

Studierende während einer Vorlesung
Studierende während einer Vorlesungimago/photothek

Matthias Konrad will mit den 200 Euro vom Staat erst einmal Schulden begleichen. Der Student der Religionswissenschaft arbeitet derzeit für eine Aufwandsentschädigung von 1000 Euro im Monat in der Berliner Geschäftsstelle des Dachverbands der verfassten Studierendenschaften FZS (freier Zusammenschluss von Student:innenschaften).

Allein für sein WG-Zimmer zahle er 600 Euro im Monat, erzählt er. Die restlichen 400 Euro reichten angesichts von Inflation und steigenden Energiepreisen nicht aus, um die alltäglichen Kosten zu decken. Er hat sich Geld bei Freunden, Kommilitonen und der Familie geliehen. „Wenigstens einen Teil möchte ich jetzt zurückzahlen“, sagt er.

Verband kritisiert Stark-Watzingers Hilfsleistung

Konrad hat sich noch nicht auf der von der Bundesregierung am 15. März gestarteten Antragsplattform einmalzahlung200.de registriert. Dafür benötigt er einen 36-stelligen Zugangscode von seiner Universität in Heidelberg. Da Konrad wie die meisten Bundesbürger auch nicht über einen elektronischen Personalausweis verfügt, muss seine Hochschule ihm zudem einen PIN für die Verifizierung bereitstellen. „Ich warte noch auf die Zugangsdaten“, sagt er.

Ohnehin wäre Konrad am Tag des Startes der Antragsplattform auch mit Zugangscode und PIN zunächst nicht weit gekommen. Die Webseite brach nach zu vielen Zugriffen stundenlang zusammen. Als sie wieder erreichbar war, gelangten Nutzer in einen digitalen Warteraum. „Bei uns haben sich Studierende gemeldet, denen angezeigt wurde, dass sie eine Stunde warten müssen“, berichtet Konrad.

Sein Verband hatte die Hilfsleistung des Bundesbildungsministeriums unter der FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger in Mitteilungen als „Keinmalzahlung“ kritisiert. Zu spät, zu wenig, zu kompliziert – so lautet die Zusammenfassung der Standpunkte des Dachverbands zu den Hilfen.

Einmalzahlung war Teil des dritten Entlastungspakets

Die Bundesregierung hatte die Zahlung an Studierende im Rahmen des dritten Entlastungspakets für die Bundesbürger in der Energiekrise im vergangenen September beschlossen. Damals wurde circa 3,5 Millionen Studierenden an Universitäten und Hochschulen eine zügige und einfache Auszahlung versprochen.

Das Bildungsministerium hat mehrere Monate an der nun lancierten Onlineplattform gearbeitet. Um Datenschutz zu gewährleisten und Betrug zu verhindern, gibt es verschiedene Hebel. Die Studierenden müssen nachweisen, dass ihnen die Sonderzahlung zusteht.

Der Weg zur Hilfe führt über ein Bundeskonto

Studierende, die bereits einen elektronischen Personalausweis besitzen, können diesen nutzen, um sich auf der Antragsplattform der Bundesregierung beim BundID-Konto zu registrieren. Dabei handelt es sich um eine bisher kaum genutzte zentrale Onlineplattform für Verwaltungsleistung. Nötig sind eine Smartphone-App und eine Ausweis-PIN, die unter anderem bei den Bürgerämtern beantragt werden muss. Alternativ können auch Elster-Zertifikate genutzt werden, mit denen Steuererklärungen digital an die Verwaltung übermittelt werden. 

Laut Statistischem Bundesamt nutzen nur acht Prozent der Bundesbürger 2022 den elektronischen Personalausweis. Der Bund ermöglicht deshalb auch die Anmeldung beim BundID-Konto mit Zugangscode und PIN. Die Studierenden sollen sie von ihren Hochschulen erhalten.

Ein Generator sorgt für die Codes der Studierenden

Das Bildungsministerium habe den Hochschulen dafür einen Zugangscode-Generator zur Verfügung gestellt, erklärt Carsten Wette, Sprecher der Freien Universität. „An der Freien Universität wird die PIN im Campus-Management-System für die Studierenden bereitgehalten“, erläutert Wette.

An der Humboldt-Universität seien die Zugangsdaten für Studierende bereits um 0 Uhr auf der Universitätsplattform AGNES bereitgestellt worden, sagt Sprecherin Heike Bräuer. „Nur zehn Sekunden später hatte sich die erste Studierende diese bereits heruntergeladen, bis 13 Uhr waren es schon mehr als 3000“, sagt sie.

Auch an der Humboldt-Universität wurden Codes und PINs bereits im Vorfeld kreiert. Vor dem 15. März seien viele Abstimmungen mit dem Land nötig gewesen, sagt sie. Es sei bis kurz vor dem Start noch nicht abschließend geklärt gewesen, welche Studierenden einen Anspruch auf die Einmalzahlung haben. „Auch für die technische Umsetzung war in einem sehr kleinen Zeitfenster ein erheblicher Aufwand zu
betreiben.“

Die Technische Universität Berlin bewertet ihren Aufwand bei der Vorbereitung auf die Einmalzahlung laut Sprecherin Susanne Chlodonicki dagegen als „überschaubar“.  Zugangscode und PINs wurden in zwei E-Mails übermittelt. Alle Studierenden sollen sie noch am Tag des Startes der Antragsplattform erhalten haben, versichert die TU-Sprecherin.

Geklärt ist mittlerweile, dass auch ausländische Studierende einen Antrag stellen können. Die Hilfen bleiben steuerfrei und sollen auch nicht auf Sozialleistungen angerechnet werden.

Bafög-Notfallmechanismus greift nicht bei Inflation

Der Dachverband FZS bewertet die Einmalzahlung dennoch als verpasste Gelegenheit. Der Bundestag beschloss im September eine Novelle der Bafög-Förderung für Studierende. Ein sogenannter Notfallmechanismus für Krisen wurde geschaffen. Er sollte in Situationen gelten, in denen wie während der Corona-Lockdowns der Arbeitsmarkt für Studierende betroffen ist. Für die Energiekrise und die Inflation griff der neue Mechanismus dagegen nicht. 

Der Student Matthias Konrad schätzt, dass Studierende im vergangenen Jahr im Durchschnitt 100 Euro im Monat an Mehrkosten zu verkraften hatten. Die Einmalzahlung von 200 Euro ändere kaum etwas an der prekären Lage vieler Studierenden. Das Statistische Bundesamt wies im vergangenen Jahr darauf hin, dass 2021 fast 40 Prozent der Studierenden in Deutschland armutsgefährdet waren. „Wenn wir in Deutschland sozialgerechtes Studieren wieder ermöglich wollen, dann braucht es deutlich mehr Geld“, sagt Konrad.