Brüssel - Anfang September endet in Brüssel die politische Sommerpause. Eigentlich sollte die sich dieses Jahr noch etwas verlängern. Denn bis zur Bundestagswahl wünscht sich Berlin keine unliebsamen Überraschungen rund um das Thema Euro.
Bei Griechenland ging das schon mal schief. Und nun lässt auch Portugal aufhorchen. Regierungschef Pedro Passos Coelho hat ein zweites Rettungspaket für sein Land ins Gespräch gebracht. Am Dienstag reisen die neue Finanzministerin Maria Luis Albuquerque und der neue Vizepremier Paulo Portas zu Gesprächen mit der EU-Kommission nach Brüssel. Von dort soll es weiter gehen zur Europäischen Zentralbank (EZB) nach Frankfurt am Main und nach Washington zum Internationalen Währungsfonds IWF.
Die Zeit drängt. In Portugal haben die Verfassungsrichter in der vergangenen Woche schon zum dritten Mal eine Regelung des Sparpakets verworfen. Die Umschulungsprogramme für Staatsbedienstete verstießen gegen die Garantie des Arbeitsplatzes, befanden die Richter. Schon im April hatten sie eine Kürzung des Arbeitslosengeldes missbilligt. Kurzerhand fehlten 1,2 Milliarden Euro im Sanierungsplan. Ministerpräsident Passos Coelho musste nach einer Koalitionskrise im Juli gar die Regierung umbilden. Portas wurde zum Vize-Regierungschef und Koordinator seines Landes für die Euro-Politik bestimmt, Albuquerque löste Vitor Gaspar im Amt des Finanzministers ab.
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Nun droht weiteres Ungemach. Und das trifft auch die EU. Portugal, das im Jahr 2011 von EU und IWF 78 Milliarden Euro an Notkrediten erhalten hatte, war zusammen mit Irland als Musterbeispiel der Sanierung durch eine strenge Sparpolitik gepriesen worden. Im kommenden Jahr sollte das Land an die Finanzmärkte zurückkehren. Nun muss Ministerpräsident Passos Coelho neues Geld einsparen. Steuererhöhungen schloss der Regierungschef aus. Sie seien dem Land nicht mehr zuzumuten.
Etats bleiben angespannt
In Berlin mochte die Bundesregierung aber keine Krise erkennen. „Insgesamt sehen wir die Situation hoffnungsvoll und positiv“, sagte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der Optimismus überrascht. Die Sprecherin verwies auf die gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit. Portugals Regierungschef auf ein gutes Tourismusjahr. Das stimmt.
Aber Portugal belegt gleich doppelt die Fragilität des Euro-Rettungskurses. Zum einen bleibt die Etatlage der Krisenstaaten äußerst angespannt. Zum anderen belegt das Urteil des portugiesischen Verfassungsgerichts die politischen Unwägbarkeiten bei der Euro-Rettung. Die konservative Volkspartei des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy kämpft mit einem Korruptionsskandal, Italiens Ministerpräsident Enrico Letta muss um die Unterstützung der Partei des stetig unsteten Silvio Berlusconi für seine Regierung fürchten.
Erstmal also über den September kommen, lautet die Devise. Der Ökonom Clemens Fuest vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim hatte unlängst eine andere Rechnung offengelegt. Zwar versagt nach seiner Studie ein Länderfinanzausgleich auf EU-Ebene. Aber würde man der EU ein Drittel der Transferleistungen übertragen, sprich die Kommission würde ein Drittel der Steuern erheben und ein Drittel der staatlichen Leistungen übernehmen, würde nicht allein der Süden Europas profitieren. Selbst Deutschland zählte zu den Gewinnern. Zu den Verlierern würden Frankreich und die Benelux-Staaten gehören. Europa muss also nicht nur sparen. Europa kommt in der Eurokrise um Transferzahlungen nicht umhin.