EZB-Kurs vor Gericht: Karlsruhe entscheidet über Euro-Rettung
Der Kurs der Euro-Retter beschäftigt erneut das Bundesverfassungsgericht. Nach der positiven Eilentscheidung zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt vom September 2012 befassen sich die Karlsruher Richter an diesem Dienstag und Mittwoch (11./12.6.) im Hauptsacheverfahren unter anderem mit den Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB).
Im Zentrum steht das im September beschlossene Programm OMT („Outright Monetary Transactions“), mit dem die EZB unter Bedingungen notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten kaufen könnte. Das Gericht will prüfen, ob die Notenbank mit solchen Maßnahmen ihre Kompetenzen überschreitet. Die Kritik der Bundesbank wird deren Präsident Jens Weidmann vortragen, die EZB-Position wird Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen darlegen.
Asmussen warnte in der „Bild“-Zeitung (Montag) vor den Folgen eines Urteils zur Begrenzung von Staatsanleihenkäufen: „Ich habe hohen Respekt vor dem Gericht und werde einer unabhängigen Institution keine Ratschläge erteilen. Generell gilt aber: Keine Institution handelt im luftleeren Raum. Wenn das Aufkauf-Programm zurückgenommen werden müsste, hätte das erhebliche Konsequenzen.“ Asmussen bekräftigte: „Das Programm war ökonomisch notwendig, rechtlich zulässig und von der Wirkung her effizient.“
Experten räumen der Verfassungsklage gegen die EZB-Entscheidungen kaum Chancen ein. Clemens Fuest, Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW/Mannheim), äußert zwar Kritik am EZB-Kurs. Doch der Ökonom sagte dem „Handelsblatt“ in der vergangenen Woche zugleich: „Dass das Bundesverfassungsgericht Teile der EZB-Politik für grundgesetzwidrig erklärt, erwarte ich nicht. Es müsste eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung vorliegen.“
Rechtsexperte Oliver Sauer vom Centrum für Europäische Politik (CEP) sieht das höchste deutsche Gericht in einem Dilemma: „Jede Entscheidung, die das Gericht später treffen wird, wirft weitere rechtliche und wirtschaftliche Probleme auf“, sagte Sauer.
Das Bundesverfassungsgericht nimmt zudem erneut den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unter die Lupe. Gegen diesen dauerhaften Euro-Rettungsfonds hat der Verein „Mehr Demokratie“ zusammen mit mehr als 37 000 Bürgern geklagt.
Im September hatte Deutschlands höchstes Gericht unter Auflagen den Weg für den deutschen ESM-Beitrag vorläufig frei gemacht, wenn auch unter Bedingungen: Das deutsche Haftungsrisiko dürfe nicht automatisch über die ausgehandelten 190 Milliarden Euro steigen, bei jeder Änderung müsse der Bundestag gefragt werden.
Kläger wie der CSU-Politiker Peter Gauweiler hatten ihre Klage dann noch einmal erweitert und greifen jetzt auch das OMT-Programm der EZB an. Die EZB überschreite ihre Kompetenzen, argumentieren sie. (dpa)