FED: Ebbe nach der Dollarflut
Aufatmen in Asien: Von Tokio über Seoul Singapur und Kuala Lumpur leuchteten am Mittwoch Plus-Zeichen vor den Aktienkursen. Das lag an Erdem Basci. Der Chef der türkischen Zentralbank stellt sich dem Verfall der Landeswährung Lira entgegen und hat die Zinsen drastisch erhöht. Mit Erfolg, der Kurs der Lira schoss in die Höhe. Basci sendet ein Zeichen der Stärke gegen die aufkeimende Währungskrise in den Schwellenländern. Doch die Gefahr ist noch nicht vorüber. „Die Schwellenländer sollten ihre Schutzschirme aufspannen“, warnte Jose Vinales, Direktor beim Internationalen Währungsfonds (IWF).
An den weltweiten Börsen kam es in den letzten Tagen zu einem Ausverkauf, der das globale Aktienvermögen um knapp 1,9 Billionen Dollar drückte. Auslöser der Unruhe ist die Kapitalflucht aus vielen Schwellenländern, die Währungen wie den südafrikanischen Rand, den brasilianischen Real oder den argentinischen Peso sinken lässt.
Das Kapital zieht sich aus den Schwellenländern zurück und kehrt heim in die Industrienationen, vor allem in die USA. Denn dort dreht die Zentralbank langsam den Geldhahn zu, mit dem sie in den vergangenen Jahren mehr als 3000 Milliarden Dollar in die Welt gepumpt hat. Ein Teil dieses Geldsegens floss nach Asien und Lateinamerika und ließ dort Aktien und Währungen steigen.
Doch nun schraubt die US-Zentralbank Fed ihre Maßnahmen zurück und reduziert ihre Anleihekäufe, mit denen sie die Finanzmärkte mit Milliarden überschwemmt hatte. Die monatlichen Käufe von Staatsanleihen und Immobilienpapieren würden von 75 auf 65 Milliarden Dollar pro Monat gesenkt, teilte die Fed am Mittwoch mit. Der Leitzins bleibt auf dem historischen Tiefstand zwischen Null und 0,25 Prozent.
„Die Liquiditätsflut geht zurück“, warnt IWF-Direktor Vinales. „Die Schwellenländer bleiben durch steigende Zinsen in den USA angreifbar.“ Denn als Folge der Fed-Politik steigen in den USA tendenziell die Zinsen, der Dollar wird für Finanzanleger damit attraktiver, Kapital fließt raus aus dem Emerging Markets und rein in die Vereinigten Staaten.
Doch nicht nur die Geldschwemme neigt sich dem Ende zu. Dazu kommen strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft, die die Konjunktur in den Schwellenändern schwächen, sagt der chinesische IWF-Vize-Chef Min Zhu. So lasse das rasante Wachstum in China nach. Das trifft Rohstoffexporteure, denn China kauft alles – von chilenischem Kupfer bis zu brasilianischem Eisenerz. Die Zeiten steigender Rohstoffpreise seien damit vorüber, so Zhu. Auch versucht Peking, den Investitionsboom im Land zu stoppen, was die Zulieferer von Taiwan bis Südkorea belastet. Folge: Die Konjunktur in den Schwellenländern läuft zwar, aber nicht mehr so gut wie in den vergangenen Jahren.
All das lässt das Kapital aus den Emerging Markets fliehen. Ihre Währungen verlieren an Wert, das macht Importe teurer und heizt die Inflation an, die in Ländern wie Indien, Brasilien oder Südafrika ohnehin schon sehr hoch ist.
Um die Inflation zu bekämpfen und die Währung zu stützen, heben die Zentralbanken nun die Leitzinsen an. So hat die türkische Notenbank am Dienstagabend ihre Leitzinsen mehr als verdoppelt. Das soll das gesamte Zinsniveau im Land erhöhen und so die Lira für Anleger attraktiver machen. Das funktioniert zwar, die Lira wertet auf. Doch der Preis ist hoch: Steigende Zinsen machen Kredite teurer, was das Wirtschaftswachstum belastet. Die Leitzinserhöhung in der Türkei „könnte die Blutung stoppen, wird aber definitiv wehtun “, sagte Analyst Gennady Goldberg der Agentur Reuters.
Kapital zieht sich zurück
Das Kapital zieht sich zurück – doch im Gegensatz zur Asienkrise Ende der neunziger Jahre handelt es sich noch nicht um eine breit angelegte Fluchtbewegung. „Der Ausverkauf findet selektiv statt“, kommentiert Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Es trifft zunächst die Schwächsten: Länder mit hohen Außenhandelsdefiziten, vom Rohstoffexport abhängige Länder und Länder mit sozialen Unruhen wie die Türkei, Argentinien oder Südafrika.
Breitet sich die Krise aus, so könnte sie auch die deutsche Wirtschaft schwächen, insbesondere die Export. Denn die Schwellenländer produzieren mittlerweile die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung und sind zu immer wichtigeren Kunden deutscher Unternehmen geworden. Während der Anteil der Euro-Staaten am deutschen Export seit 2008 von 46 auf 37 Prozent gefallen ist, legen die Lieferungen nach Übersee ständig zu. So verdoppelte sich allein der Export nach China, was den Rückgang der Nachfrage aus den südlichen Euro-Krisenstaaten ausglich.
Laut Ökonom Schmieding dürfte die deutsche Wirtschaft jedoch keinen Schaden erleiden – solange China stabil bleibt. Schließlich erwirtschafte das Land ein Drittel der gesamten Produktion in den Schwellenländer. Mit seinen Devisenreserven über 3,8 Billionen Dollar sei China zudem gut vor spekulativen Attacken geschützt.