Helfen nach der großen Katastrophe: Wo Ihre Spenden in guten Händen sind
Viele Menschen möchten für die Opfer der Erdbebenkrise in der Türkei und in Syrien spenden. Die richtige Hilfsorganisation sollte ein DZI-Siegel haben.

„Bitte schnell öffnen – jede Hilfe zählt!“, steht auf dem Spendenbrief, darüber „Katastrophales Erdbeben“. Der Text ist auf ein Foto montiert, das ein zusammengebrochenes Wohnhaus zeigt, vor dem Helfer zerborstene Fenster wegschaffen. Der Brief der Welthungerhilfe nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien appelliert an die Hilfsbereitschaft und das Mitgefühl des Empfängers. Schwere Katastrophen rütteln auf und wecken den Wunsch, den Menschen vor Ort zu helfen. „Die Entscheidung zu spenden wird in solchen Situationen durch Dringlichkeit und hohe Emotionalität beeinflusst“, sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) in Berlin. Das DZI prüft Wohltätigkeitsorganisation, heute auch Non-Profit-Organisation (NPO) genannt, und vergibt an vertrauenswürdige Organisationen ein Siegel. Wir haben nachgefragt, was beim Spenden nach Katastrophen zu beachten ist.
Auswahl der Hilfsorganisation: „Das Spendensiegel des DZI ist ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl einer Spendenorganisation“, sagt Stefan Fischer, Experte der Stiftung Warentest, die regelmäßig Spendenorganisationen untersucht. Die Kompetenz des DZI resultiert aus 130 Jahren Erfahrung bei der Beurteilung von Wohlfahrtseinrichtungen. Das Institut selbst wird von Vertretern des Bunds, des Landes Berlin, des Deutschen Städtetags, der Deutschen Industrie- und Handelskammer und der Freien Wohlfahrtspflege verantwortet. 230 Hilfsorganisationen von ADRA Deutschland bis zum Verein Zeltschule haben aktuell das DZI-Siegel. Um es zu erhalten, müssen sie sieben Standards erfüllen, zu denen eine angemessene Verwendung der Spendengelder und Transparenz gehören. Auf der Webseite des DZI (www.dzi.de) können die Standards nachgelesen werden. Es gibt außerdem eine Suchmaschine für Spendenorganisationen.
Wilke betont, dass sich in Sachen Transparenz in den vergangenen 20 Jahren viel getan habe. „Viele Organisationen veröffentlichen Jahresberichte, obwohl dies gesetzlich nicht gefordert ist“, sagt er. Darin finden sich Informationen zu Projekten, aber auch Wirkungsberichte, die Aussagen zu der Effektivität der Projekte treffen, oder Finanzberichte. Größere Organisationen mit DZI-Siegel ab einem Spendenaufkommen von fünf Millionen Euro jährlich müssen auf ihrer Webseite ein Beschwerdeverfahren zur Verfügung stellen.
Spendenbündnisse: ARD und ZDF empfehlen bei Katastrophen Spenden an die drei großen Bündnisse „Aktion Deutschland hilft!“, das „Bündnis Entwicklung Hilft“ und das „Aktionsbündnis Katastrophenhilfe“, in denen sich mehrere Organisationen zusammengeschlossen haben. Alle drei haben das DZI-Siegel. Fischer befürchtet, dass diese Bündnisse die Spendengelder „mit der Gießkanne verteilen“. Neben den üblichen Kosten für Verwaltung und Werbung kommen hier noch die Kosten für die Bündnis-Organisation hinzu. Wilke hält eine Spende an die Bündnisse dennoch für vertretbar: „Neben großen Organisationen sind hier auch kleine dabei.“
Spenden absetzen: Spenden können nur abgesetzt werden, wenn sie an gemeinnützige Organisationen, also Vereine, Stiftungen oder gemeinnützige GmbHs (gGmbH) gehen. Die Gemeinnützigkeit wird durchs Finanzamt bestätigt. Eine Spendenquittung wird erst benötigt, wenn die Spende 300 Euro im Jahr übersteigt. Ansonsten reicht ein Kontoauszug.
Spenden an Privatpersonen: Zahlreiche Menschen starteten kurz nach dem Erdbeben Sammelaufrufe für Transporte in die Türkei. Schlafsäcke, Zelte, Babynahrung und anderer Bedarf für Säuglinge waren gefragte Güter, die an Sammelpunkten abgegeben werden konnten. Häufig organisierten Menschen mit Migrationshintergrund, die selbst oder deren Eltern aus den vom Erdbeben betroffenen Städten kamen, die Aktionen, um die Waren vor Ort abzuliefern. „In Katastrophen ist es menschlich, dass man direkt und fühlbar spenden möchte“, sagt dazu Wilke. Er hält Spenden an Privatpersonen für in Ordnung, wenn die Menschen, an die man spendet, das eigene, volle Vertrauen genießen. „Wenn ich eine kompetente Initiative in meiner Nachbarschaft habe, ist das eine tragfähige Vertrauensbrücke“, sagt er. Dieser Fall sei jedoch eher selten.
Von Sachspenden wird abgeraten
Sachspenden: Eng verbunden mit dem Thema „Spenden an Privatpersonen“ ist die Frage der Sachspenden. In den Katastrophengebieten fehlt es an allem. Gleichzeitig gibt es in vielen Haushalten Gegenstände, wie Decken oder Kleidung, die nicht mehr gebraucht werden. Wilke rät dennoch von Sachspenden ab. „Es ist viel wirksamer und wirtschaftlicher, Geld zu spenden“, sagt er. Der Transport der Waren in die Türkei sei unwirtschaftlich, es müssten Zollformalitäten berücksichtigt werden und die Spenden landeten häufig am falschen Ort.
Sachspenden lassen sich nur dann absetzen, wenn ein Verein für sie eine Spendenquittung ausstellt. Das Finanzamt prüft solche Quittungen genau, um Missbrauch aufzudecken. Wird die Sachspende als falsch bewertet, gerät der Empfänger der Spende in Schwierigkeiten.
Hilfe wird auch noch später benötigt
Schnelle Umsetzung der Spende vor Ort: Viele Spender wünschen sich, dass ihr Geld so schnell wie möglich bei den Opfern ankommt. Bei kleinen Organisationen scheint dies eher der Fall zu sein. Doch Wilke bremst hier. Wichtiger als die Geschwindigkeit sei die Kompetenz einer Organisation. Er gibt zu bedenken, dass die Hilfe nicht nur unmittelbar nach der Katastrophe, sondern auch später benötigt wird. „Auch 2024 brauchen die Menschen in der Türkei und Syrien Hilfe.“
Zweckgebundene Spenden: „Das sollte die Ausnahme sein“, rät Wilke. Wer „Erdbebenhilfe Türkei und Syrien“ auf seine Überweisung schreibt, engt den Entscheidungsspielraum der Organisation ein und verursacht zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Zweckgebundene Spenden sind häufig ein Zeichen mangelnden Vertrauens. Hier sieht Wilke auch die Spender am Zug. „Sie können sich über die Seriosität heutzutage gut informieren“, sagt er.