Fluglotsen: Weltfremde Vorgaben
Wer sich am 10. Oktober per Flugzeug fortbewegen will, sollte sich das sehr gut überlegen. Am Donnerstag in der nächsten Woche veranstalten die Fluglotsen in Europa einen „Aktionstag“. Auch die hiesigen Aufseher der Lüfte machen mit. „Über Umfang und Dauer unserer Maßnahmen werden wir zeitnah berichten“, teilt die Gewerkschaft der Flugsicherung mit. Beobachter gehen davon aus, dass es Dienst nach Vorschrift geben wird. Das dürfte reichen, um allerlei Turbulenzen zu verursachen – mit Verspätungen und Flugausfällen, deren Ausmaß nur schwer abzuschätzen ist. Das führt zu Verdruss bei den Fluggästen, die am 10. Oktober unbedingt fliegen müssen.
Die Wut der Passagiere wird sich gegen die Atceuc, den Dachverband der europäischen Fluglotsen, richten. Schließlich ruft die Organisation die 14 000 Lotsen dazu auf, bei der Aktion mitzumachen. Doch die Atceuc ist die falsche Adresse. Der Aktionstag ist eine Art Notwehr.
Seit Jahren streiten die EU, Airlines, Politiker und nationalen Behörden über Regeln und Ziele für einen einheitlichen europäischen Luftraum. Die EU hat das Thema als vorzügliche Chance zur Profilierung erkannt. Und mahnt ständig: „Wir müssen jetzt liefern“, betonte etwa kürzlich EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Das Management des zivilen Flugverkehrs sei erstens zersplittert und zweitens ineffizient. Ganz bestimmt ist da was dran. Die Überwachung der Flieger macht jedes Land für sich. Die Folge: Der Pilot, der einmal quer durch Europa fliegt, muss sich ständig bei der einen nationalen Flugsicherung ab- und bei einer anderen anmelden.
Das will die EU so schnell wie möglich abschaffen. Die Ziele von Brüssel für die Zeit bis 2019 gehen aber noch viel weiter. Die Sicherheit soll verzehnfacht und die Kapazität des Luftraums verdreifacht werden. Zugleich will Kallas die Kosten halbieren. Wer so etwas vorgibt, muss von extremer Ineffizienz ausgehen. Kallas spricht von fünf Milliarden Euro, die Airlines jedes Jahr an überflüssigen Kosten tragen müssten, da wegen der fragmentierten Aufsicht unter anderem große Umwege geflogen werden müssten.
Er verweist gerne auf die USA, wo vieles besser laufe. Allerdings muss bedacht werden, dass dort ein großer Teil der Kosten für die Flugsicherung durch den Steuerzahler finanziert wird. In der EU hingegen müssen die Fluggesellschaften fast die kompletten Aufwendungen alleine tragen. Und Umwege werden in Europa auch geflogen, weil auf viele militärische Belange Rücksicht genommen werden muss und weil die längere Strecke manchmal die schnellere ist, da der Flieger von Rückenwind profitiert. Hinzu kommt natürlich auch, dass viele EU-Staaten bislang auf ihren eigenen Regularien beharren. Keine Frage, das erschwert die Fliegerei, hier muss angesetzt werden. Das hat aber mit sturen nationalen Regierungen zu tun. Das zeigt, so ineffizient, wie es auf den ersten Blick wirkt, sind die Lotsen in der EU gar nicht.
Diese befürchten zu Recht, dass das Ziel der Kostenhalbierung kontraproduktiv wirkt: Jobabbau wäre unvermeidbar, das hätte personell ausgedünnte Flugsicherungen zur Folge, was mehr Verspätungen und weniger Sicherheit bedeuten könnte. Es wird Zeit, realistische Ziele zu definieren. Gut, dass es den Aktionstag gibt.