Ölembargo? Berlin und Brandenburg setzen zu 95 Prozent auf russisches Öl

Kommt ein deutsches Ölembargo gegen Russland, sind vor allem Brandenburg und Berlin schwer betroffen. Wie groß ist die Abhängigkeit und was wären die Folgen?

Ein Mann an der Tankstelle in Berlin, März 2022
Ein Mann an der Tankstelle in Berlin, März 2022Gerd Engelsmann

Die Bundesregierung ist bereit für ein Ölembargo. Aber sind es Berlin und Brandenburg auch? Irene Beringer, Sprecherin für das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg (MWAE), äußerte sich auf Anfrage der Berliner Zeitung skeptisch und sagte, dass ein Embargo besonders die Hauptstadtregion treffen und in Schwierigkeiten bringen würde.

Die beiden Bundesländer werden zu rund 95 Prozent mit Öl aus der Druschba-Pipeline beliefert, die über den polnischen Landweg Deutschland mit russischem Öl versorgt. „Sollte die Druschba-Pipeline aufgrund eines Embargos oder eines Lieferstopps kurzfristig außer Betrieb genommen werden, könnte die PCK-Raffinerie (in Schwedt, Anm. d. Red.) für kurze Zeit zwar auf eigene Reserven zurückgreifen“, sagte Beringer weiter. Danach bedürfe es aber weitergehender Lösungen – also das Anzapfen nichtrussischer Ölquellen.

Bundeswirtschaftsminister Habeck brachte zuletzt eine Ersatzversorgung mit Öl über die Häfen von Danzig und Rostock ins Spiel. Aber diese Maßnahmen könnten den aktuellen Lieferumfang, der über die Druschba-Pipeline läuft, nicht komplett kompensieren. Das Wirtschaftsministerium Brandenburg sehe es als eine Aufgabe der Bundesregierung an, weitere alternative Wege und Ölquellen zu finden.

Kommen Versorgungsengpässe?

Die Erdölleitung Druschba (aus dem Russischen: Freundschaft) versorgt Ostdeutschland immer noch mit Rohöl aus russischen Ölfeldern. Auch wenn Deutschland nach Habecks Angaben aktuell nur noch zwölf Prozent seines Öls aus Russland bezieht – und nicht mehr 35 Prozent, wie es noch 2021 war. Die PCK-Raffinerie in Schwedt an der polnischen Grenze in Brandenburg, die zum Großteil dem russischen Ölkonzern Rosneft gehört, bedient fast alle Kraftstoff-Tankstellen in Berlin und Brandenburg, was auch das Wirtschaftsministerium in Berlin auf Anfrage bestätigte.

Sollten sich spätestens bis Ende des Jahres – Wirtschaftsminister Robert Habeck stellte dieses Datum für ein Ölembargo in Aussicht – nicht ausreichend Alternativen finden, dürften sich Versorgungsengpässe und noch höhere Preise für Ostdeutschland ergeben.

Am heutigen Montag diskutieren die EU-Länder das sechste Sanktionspaket gegen Russland wegen des Angriffes auf die Ukraine. Die deutsche Position hatte am Vorabend Außenministerin Baerbock bei „Anne Will“ vermittelt: Man werbe für eine Entscheidung auf EU-Ebene gegen russisches Öl. Man sei jetzt auch darauf vorbereitet, weil man neue Lieferverträge habe. Habeck erklärte seinerseits am Montag in Berlin, dass Deutschlands Position zwar klar, aber noch nichts entschieden sei, denn andere Länder seien noch nicht so weit. Man wolle auf EU-Ebene die endgültige Entscheidung alsbald treffen. Als Bremser gelten Ungarn und die Slowakei.

Diese Alternativen kämen infrage

Geht es um die bereits versprochenen Lieferalternativen über die Häfen von Danzig und Rostock, drängen sich weitere Fragen auf – etwa, aus welchen Ländern das Öl kommen soll. Der Energieexperte Dr. Steffen Bukold schrieb etwa in einer Greenpeace-Studie Ende April, eine Pipeline für Tankeröl aus Rostock könnte künftig 60 Prozent des Bedarfs in Schwedt decken, man könnte auch Öl aus Drittstaaten jenseits der EU und Russlands importieren. Die PCK-Raffinerie in Schwedt soll vor Kurzem ein Tankschiff mit kasachischem Rohöl bestellt haben, das nach Ankunft von Rostock über eine Pipeline nach Brandenburg käme.

In Danzig kommen seit Jahren vor allem Tankschiffe aus dem Iran, dem Irak und Saudi-Arabien sowie aus den USA an. Noch im Januar kaufte etwa der weltgrößte staatliche Ölexporteur Saudi Aramco eine Beteiligung an der polnischen Raffinerie und erklärte sich bereit, mehr saudi-arabisches Öl nach Europa zu liefern. Auch nach Brandenburg.

Sollte Putin Deutschland den Ölhahn zudrehen?

Mit einem Ölembargo gegen Russland möchte die Bundesregierung allerdings nicht nur die Abhängigkeit von Russland und die Finanzierung des Putin-Regimes verringern, sondern auch einen möglichen spontanen Lieferstopp durch Russland vermeiden, dem Kreml also sozusagen einen Schritt voraus sein. Solche Signale lassen sich seitens der Regierung in Moskau oder Präsident Putins bisher jedoch nicht beobachten.