Fracking: Der Traum vom Schiefergas
Wirtschaftsmotor oder grandioser Flop? Zwei Nachrichten feuern die Debatte über die umstrittene Fördermethode für Erdgas, das Fracking, an. Eine Studie sieht erhebliches Potenzial für diese unkonventionelle Gasgewinnung in Europa; sie könne die Abhängigkeit von Importen mindern und viele neue Jobs entstehen lassen. Gleichzeitig wird bekannt, dass das erhoffte „Fracking-Eldorado“ Polen viel weniger unkonventionelle Gasvorkommen besitzt als bisher angenommen; Förderunternehmen ziehen sich aus dem Geschäft zurück.
Laut der Unternehmensberatung A. T. Kearney könnte die europäische Gasförderung – allerdings ohne Berücksichtigung des klassischen Öl- und Gas-Förderlandes Norwegen – sich durch Fracking bis 2035 um 45 Prozent erhöhen und damit fast verdoppeln. Die Einsparung bei den Importen könne 19,5 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Der Anteil der Eigenförderung am Bedarf in der EU bliebe aber relativ gering; er würde laut der Studie nur auf rund zehn Prozent angehoben. Importe, vor allem aus Russland, blieben also weiter nötig.
Hohe Bohrkosten
Für Europa ermittelte A. T. Kearney einen Anteil von sieben Prozent der weltweit erschließbaren Schiefergas-Vorkommen. Das entspricht 13.600 Milliarden Kubikmetern. Die USA sind Vorreiter der Fracking-Technik, bei der erdgashaltiges Schiefergestein unter hohem Druck mit Wasser, Sand und teils giftigen Chemikalien „aufgesprengt“ wird, um das Gas fördern zu können. Als Länder mit großen Potenzial werden China, Indien, Kanada und Australien genannt. In Europa galten bisher vor allem Polen, die Ukraine und Großbritannien als große „Fracking-Länder“. In Deutschland sind NRW, Niedersachsen, Nordhessen, Baden-Württemberg und Bayern im Fokus.
Allerdings ist das Fracking laut A. T. Kearney in Europa „zurzeit noch nicht wirtschaftlich“: Die Bohrkosten seien hoch, weil die Vorkommen tiefer in der Erde liegen als etwa in den USA. „Das Geschäft mit dem Schiefergas ist ein langfristiges, kapitalintensives und dadurch auch risikoreiches Projekt“, kommentierte Studienleiter Kurt Oswald. Er erwartet, dass Fracking sich ab 2017/2018 in den meisten EU-Ländern profitabel betreiben lässt – dank dann verbesserter Bohrtechniken.
In den USA habe es eine „Fracking-Revolution“ gegeben, in Europa hingegen zeichne sich eher eine „Fracking-Evolution“ ab, meinen die Unternehmensberater. Als Ausnahme sehen sie Polen: Für das Land sei Schiefergas sogar ein „Game Changer“, da es im günstigsten Fall sogar zum Exporteur werden könne.
Aus Polen, das von Fracking Fans wie Ministerpräsident Donald Tusk schon einmal zum „neuen Norwegen“ erklärt wurde, kommen andere Meldungen. Ursprünglich lauteten Schätzungen von US-Wissenschaftlern, in Polen könnten 5300 Milliarden Kubikmeter nicht-konventionelle Gasreserven ausgebeutet werden. Im vorigen Jahr wurde die Menge auf zehn Prozent reduziert, also rund 500 Milliarden. Doch offenbar ist auch das nicht realistisch: Der Experte Hubert Kiersnowski vom polnischen Staatlichen Geologischen Institut wies jetzt laut der Zeitung Gazeta Prawna darauf hin, dass die Reserven nur 34 bis 76 Milliarden betrügen. Die Schiefergas-Produktion werde möglicherweise niemals profitabel sein, sagte der Geologe.
Konzerne ziehen sich zurück
Polens Regierung fördert Fracking wie keine andere in der EU. Erst im Februar erließ sie ein Gesetz, das die Erkundung und Gewinnung von Schiefergas erleichtert. Aktuell wird schon an 42 Standorten gebohrt, bis 2021 will Warschau über 300 Bohrungen genehmigen. Ob es so viele werden, ist fraglich. Schon im vorigen Sommer hat sich der Energiekonzern Exxon-Mobil, der in Polen groß ins Schiefergasgeschäft einsteigen wollte, von dort zurückgezogen. Bei Testbohrungen hatte er viel weniger Gas gefunden als erwartet. Die Gewinnung lohne sich nicht, so Exxon-Mobil.
Kürzlich folgten der kanadische Konzern Taliman Energy und das US-Unternehmen Marathon Oil diesem Schritt und gaben die Erkundung auf. Das Nachrichtenportal „Infoseite Polen“ stellte daraufhin wohl nicht zu Unrecht die Frage: „Ende der Schiefergas-Träume?“