Ist Habeck der neue Lauterbach? Der Minister bestätigt, dass er uns zwingen kann, Gas zu sparen
Wirtschaftsminister Robert Habeck meint es immer ernster: Die Deutschen sollen Energie sparen – „zur Not“ kann er sie zwingen. Was bedeutet das?

Es war früher Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der seinen Ruf als Mahner der Nation ständig pflegte. Jetzt aber nimmt Robert Habeck (Grüne) Lauterbachs Platz ein und bereitet uns langsam auf den Gasnotstand vor – weil er eben fürchtet, dass russisches Gas nach der Wartung an Nord Stream 1 nicht wieder nach Europa fließen wird.
Ob kürzlich bei „Markus Lanz“ oder noch im Juni in der „Tagesschau“ – Habeck kommuniziert es noch verschwommen, aber offen: Wenn die Bürger kein Gas sparen, könnte der Staat sie zwingen. Die entsprechenden Energiesparmaßnahmen wolle Habeck „zur Not auch gesetzlich“ durchsetzen.
Doch was bedeutet das konkret? Das Energiesicherungsgesetz ist erneut angepasst und am Freitag vom Bundesrat gebilligt worden. Es enthält jetzt eine wichtige Klausel in Paragraf 30. Diese ermögliche zukünftig, schreibt die Bundesregierung, schon vor dem Krisenfall eine Verordnung zu erlassen, die Energiesparmaßnahmen anordnen oder das Umweltrecht vorübergehend verändern könnte. Bei Reuters heißt es dazu: Die Bundesregierung bekomme per Gesetz auch freie Hand, etwa niedrigere Raumtemperaturen zum Energiesparen vorzugeben.
Gas sparen: Alles freiwillig – vorerst
Es braucht nur ein bisschen Neugier, um sich zu fragen: Wie kann der Staat die Bürger denn zwingen, Energie zu sparen? Das Wirtschaftsministerium reagiert nur ausweichend auf Anfrage. Es seien derzeit keine staatlichen Anpassungen bezüglich Temperaturen und Heizen vorgesehen, antwortet die Energie-Sprecherin im Ministerium, Susanne Ungrad, der Berliner Zeitung. Bisher reichten die Energiesparkampagne und Appelle der Bundesregierung.
Das heißt: Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen schränken ihren Gasverbrauch vorerst freiwillig ein. „Der Gasverbrauch ist bereits zum Vergleichsmonat im letzten Jahr um zwölf Prozent gesunken“, so Ungrad. Hier geht das Wirtschaftsministerium vorbildlich vor und kühlt die Büroräume im Sommer nur auf 26 Grad herunter. Ab Herbst wolle man unter anderem mit einem Verzicht auf die Fassadenbeleuchtung 15 Prozent an Heizenergie sparen.
Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia will ab Herbst die Heizleistung in der Nacht ebenfalls freiwillig auf 17 Grad reduzieren – ohne Zwang. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hätten noch keine Pläne, das Warmwasser oder die Heizung zu rationieren – es seien lediglich Spekulationen, sagt ein Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU).
Verbraucherzentrale: Würden keine Zwangsmaßnahmen unterstützen
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) lehnt Zwangsmaßnahmen zum Energiesparen für Privathaushalte ebenfalls ab, denn diese Maßnahmen würden nicht mit der derzeitigen Gesetzeslage, nach der die Privathaushalte zu den geschützten Kunden gehören, übereinstimmen. Vielmehr sollten freiwillige Maßnahmen verstärkt werden. „Natürlich müssen Industrie, Handel, Gewerbe, öffentlicher Bereich und die privaten Haushalte gemeinsam so viel Energie einsparen, dass das Gas für den Winter reicht, sagt der Energie-Sprecher des Verbandes Dr. Thomas Engelke.
Zum Beispiel müssten jetzt Gasheizungen eingestellt werden, schlägt Engelke vor, damit sie im Winter sparsam laufen könnten. Man müsse das Warmwasser auch nicht bei 60 Grad laufen lassen: 40 bis 45 Grad reichten aus. Mittelfristig könnten deutlich mehr Solarpanels auf dem Dach, der Einbau von Wärmepumpen und eine bessere Energieeffizienz der Gebäudehülle wichtige Beiträge zur Senkung des Gasverbrauchs liefern, schlägt Engelke vor. Aber der Staat müsse diese Maßnahmen finanziell so unterstützen, dass die Verbraucher sie auch umsetzen könnten. Denn die Haushalte gehören ja geschützt.
Robert Habeck prescht mit einer neuen Idee vor
Doch gerade weil viele hierzulande nichts von der Panik halten und noch nicht über die Zwangsmaßnahmen reden wollen, prescht Wirtschaftsminister Habeck mit einer neuen Idee vor, nämlich: Er stellt die Priorisierung von Verbrauchern gegenüber der Industrie bei Gasknappheit infrage. Es müsse hier noch mal nachgedacht werden, sagte Habeck am Dienstag bei einem Besuch in Wien, ob private Haushalte nicht doch „ihren Anteil leisten müssen“, denn „eine dauerhafte oder langfristige Unterbrechung von industrieller Produktion“ hätte „massive Folgen“ für die Versorgungssituation. Sollte er das durchsetzen, wären die Verbraucher mit der neuen Gesetzlage von eventuellen Zwangsmaßnahmen auch nicht mehr so weit entfernt.
Es sei denn, der Kreml erbarmt sich und lässt Gazprom nach der Wartung von Nord Stream 1 und der Lieferung der notwendigen Siemens-Turbine deutlich mehr Gas nach Europa bringen.