Berliner mit 1160 Euro Rente: „Im April habe ich einen Gasabschlag von 850 Euro“

Der Rentner Günter Lüdemann aus Berlin-Marzahn wünscht Wladimir Putin „die Krätze an den Hals“. Die Gaspreisbremse wird für ihn zum Schockmoment.

Berlin-Marzahn: Für den Rentner Günter Lüdemann wird die Gaspreisbremse zur Belastung.
Berlin-Marzahn: Für den Rentner Günter Lüdemann wird die Gaspreisbremse zur Belastung.Jürgen Ritter/imago

Die Strom- und Gaspreisbremse, die seit dem März dieses Jahres auch rückwirkend zum 1. Januar gilt, sollte den Bürgern eigentlich als Stütze in Zeiten steigender Energiekosten dienen.

Für den gebürtigen Ost-Berliner Günter Lüdemann ist jedoch das Gegenteil der Fall. Als er vor kurzem das Schreiben vom Berliner Gasversorger Gasag erhielt, kam ihm nur eines in den Sinn: „Die haben doch eine Macke!“

Wer hätte das gedacht: Fast das Dreifache wird beim 81-Jährigen jetzt für das Erdgas in nur zwei Monaten abgebucht. Wenn man sich die neu angekündigten Gasabschläge des Rentners für März und April anschaut, könnte man meinen, hier sei gründlich etwas schiefgelaufen. Noch im September 2022 zahlte er einen monatlichen Preis von weniger als 250 Euro. Für März 2023 hat sich dieser Wert mit 523 Euro mehr als verdoppelt. Es wird aber noch krasser: Im April belaufen sich die Gaskosten für den Senior mit der Gaspreisbremse auf rund 850 Euro: Und das, trotz Grundversorgungstarif. Wie hoch sein Abschlag im Mai wird, darüber wurde der Rentner noch nicht informiert.

„Ich bin der Einzige hier im Umfeld, bei dem der Gaspreis nach oben ging“, sagt Lüdemann der Berliner Zeitung. Seine Freunde seien von solch einem Schockmoment verschont geblieben. Dass er empört sei, habe er auch der Gasag mitgeteilt – und der Berliner Grundversorger sei bereit, ein Gespräch mit ihm zu führen.

Lüdemann spart extrem Gas: „Geduscht wird nicht mehr“

Bei einer Rente von 1160 Euro im Monat bleiben dem Ost-Berliner im April nur noch 310 Euro für Strom, Essen, Fahrgeld und Versicherungsbeiträge – „und dafür hat man sein Leben lang gearbeitet“. Während des Telefonats mit uns recherchiert er im Internet, mit welchen Maßnahmen er Geld sparen kann. Dabei stößt er auf ein Portal, das erklärt, wie man in nur fünf Minuten den Tarif wechselt.

Als die Preise im letzten Jahr in Folge des Ukraine-Krieges anstiegen, handelte der Rentner schnell: „Hab im Häuschen alle Heizungen zugedreht, bis auf das Wohnzimmer.“ Die Lampen habe er mit 4-Watt-Glühbirnen ausgestattet und selbst das Warmwasser habe er ausgeschaltet. „Geduscht wird nicht mehr, ich spare, wo ich kann“, sagt er weiter.

In seiner ganzen Wut beschuldigt Lüdemann nicht nur den regionalen Energieversorger und die Bundesregierung, sondern auch den Präsidenten Russlands. „Dem Putin wünsche ich die Krätze an den Hals“, sagt er lachend. Die letzten Jahre seien super gelaufen, bis „das Theater mit den Russen“ losgegangen sei.

DDR-Kariere des Marzahners: Vom Bierbrauer bis hin zum Hauptkommissar

Erst die Ware hergestellt, dann die Ware gehandelt und schließlich die Ware beschützt: So beschreibt der 81-Jährige seinen Berufsweg. In seiner erster Tätigkeit braute Günter Lüdemann Bier. Danach ging er in den Handel, um zwecks seiner Familie nicht mehr in Schichten arbeiten zu müssen.

Darüber hinaus hat er für vier Jahre ein Fernstudium in Staatswissenschaften absolviert, ging zur Polizei und hat es dort zum Hauptkommissar geschafft. Als sein Sohn kurz vor der Wiedervereinigung in den Westen abgehauen ist, warfen ihm die Ostpolizisten vor, davon gewusst zu haben. Das sei politisch nicht tragbar, hieß es und Lüdemann wurde kurz vor der Wende entlassen. „Nur weil mein Sohnemann so mutig war; als die Grenzen auf waren, kam er zurück, da hätte er sich die Aktion auch sparen können“, schildert er.

Nach der kriminalistischen Karriere ging es noch mal in eine ganz andere Richtung: Der Berliner wurde Hausmeister. Schon drei Monate später sei er der Leiter der Hausmeister von ganz Lichtenberg gewesen. „Ich bin immer die Leiter hochgefallen, weil ich mich stets in meinen Berufen ordentlich engagiert habe.“

Als sei das nicht schon genug, schlug Lüdemann nochmals einen neuen Weg ein, als die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) verkauft hat. Die Westchefs wollten laut Lüdemann alles anders machen. Daraufhin hat er mit seiner Frau einen Lotto-Laden in Friedrichshain im Arbeiterbezirk übernommen. Dort hat er dann auch bis zum Rentenalter gearbeitet.

Das Leben lässt er sich trotz der hohen Gaskosten nicht verderben

Lüdemann wohnt schon sein Leben lang in Ost-Berlin, genauer in einem eigenen Einfamilienhaus in Mahlsdorf von 120 Quadratmetern. Das Haus werde in sechs Jahren 100 Jahre alt, sagt er. Vor sieben Jahren verlor der Berliner seine Frau, als diese auf einer Parkbank in seinem Armen einschlief. Nach dieser furchtbaren Zeit ermutigten ihn seine zwei Kinder zurück ins Leben zu finden, neue Freunde kennenzulernen und sich abzulenken.

Über das Internet hat der Witwer vor zwei Jahren eine neue Frau kennengelernt. „Wir fanden uns beide gegenseitig prima“, sagt er, während im Hintergrund „Ein bisschen Liebe, ein bisschen Freiheit“ im Radio gesungen wird. Aber eine Beziehung kostet auch Geld. Mit 310 Euro, die ihm im Monat bleiben, könne man keine großen Geschenke machen.

Da ist doch maximal ein kleiner Strauß Tulpen drin, oder? Seine neue Freundin erhalte doppelt so viel Rente, denn sie und ihr damaliger Mann waren beide Diplomingenieure. Dank ihrer Altersversorge komme Lüdemann über die Runden und könne auch die gestiegenen Gaskosten tragen. Außerdem habe er selbst noch Erspartes auf der „Kante“. Deshalb lässt er sich von dieser Rechnung nicht alles verderben.

Und wie geht es in Zukunft weiter?

„Wenn ich dann lese, was die Politiker sich für Gehälter und Bezüge für ihr Dämlich-Quatschen einstecken, wird mir übel“, sagt Lüdemann. In seinen Augen könnten auch die Rentner demonstrieren gehen und wie die jetzigen Streik-Herrschaften, 500 Euro im Monat mehr fordern.

Er hofft und rechnet damit, dass „dieses ganze Theater“ bald aufhört und die Preise sich wieder einpegeln. Bislang habe man es einfach akzeptieren und damit fertig werden müssen, sagt er. Sein Geld will der Senior dennoch zurück – ansonsten müsse er weiter „auf den Pudding hauen“. Werden keine Maßnahmen ergriffen, schicke er der Gasag noch einen Fernsehreporter ins Haus. „Das verspreche ich Ihnen.“

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