Geschönte Zahlen?: Gutachten: Pkw-Maut wird für Deutschland zum Verlustgeschäft

Es gibt Zahlen, die basieren auf soliden, nachvollziehbaren Berechnungen. Und es gibt politische Zahlen. Sie werden von Politikern in die Welt gesetzt, um ein Vorhaben zu begründen und voranzubringen. Ein besonderes Merkmal dieser Gattung ist eine gewisse Unverwüstlichkeit. Egal, was noch an den Plänen geändert wird, die Zahl verändert sich nicht mehr.

Jüngstes Beispiel ist die Einnahmeschätzung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für die neue Pkw-Autobahnmaut: 500 Millionen Euro soll sie nach wie vor im Jahr bringen, obwohl inzwischen der Kompromiss mit der EU-Kommission in die Gesetzespläne eingearbeitet  wurde. Bei einer Anhörung im Bundestags äußerten am Montag weitere Experten Zweifel an den Zahlen Dobrindts.

Experten: Maut bringt keine Mehreinnahmen

Mehrere bereits bekannte Gutachten kommen zu dem Schluss, dass die Maut überhaupt keine Mehreinnahmen bringen wird, sondern im Gegenteil für den Staat zu einem Verlustgeschäft wird. Das liegt nach Ansicht der Experten an den hohen Erhebungskosten und daran, dass die deutschen Autofahrer aufgrund des Kompromisses mit der EU-Kommission bei den umweltfreundlichen Euro-6-Fahrzeugen zusätzlich entlastet werden müssen.

So rechnet der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger im Zeitraum 2019 bis 2023 im Schnitt mit einem Minus zwischen 161 und 199 Millionen Euro jährlich.  Dobrindt hält das für Unsinn und geht davon aus, dass die von seinem Ministerium geschätzten Mehreinnahmen von 500 Millionen Euro sogar zu niedrig angesetzt wurden.

Gutachten: Dobrindt-Prognose weist Fehler auf

Der Verkehrsexperte Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin hat nun für eine Anhörung des Bundestags-Haushaltsausschusses die vorliegenden Gutachten und Schätzungen auf Plausibilität überprüft. Er kommt zu dem Schluss, dass  die Prognose des Verkehrsministeriums eine Reihe von Fehlern aufweise. Viele Annahmen seien „recht unplausibel“ oder sogar „methodisch gewagt“, so dass die möglichen Einnahmen aus der Maut zu hoch geschätzt würden.

Ein weiteres, im Auftrag Dobrindts entstandenes Gutachten, übernehme lediglich unkritisch das Vorgehen des Ministeriums. Zudem enthalte es „peinliche Fehler“. Das Gutachten  könne daher im Rahmen eines ernsthaften wissenschaftlichen Diskurses über die zu erwartenden Einnahmen „letztendlich ignoriert werden“,  so die harte Einschätzung des TU-Wissenschaftlers.

Die Prognosen von und im Auftrag des Verkehrsministeriums seien  „in erster Linie  darauf ausgerichtet, die politisch (von der Hausleitung) gewünschten Ergebnisse zu generieren beziehungsweise zu rechtfertigen.“ Es wäre zu erwarten gewesen, so heißt es in der Analyse  Beckers,  dass sich das Ministerium ernsthaft mit der Kritik an seinen Schätzungen auseinandersetzt. Das sei aber nicht geschehen.

Hinsichtlich der Einnahmen unterstützt Becker die Einschätzung, wonach die Maut am Ende den Staat Geld kosten wird. Es sei zu erwarten, „dass die Einführung der Infrastrukturabgabe zu einem Minusgeschäft wird“,  so die Prognose. Der Grünen-Etatexperte Sven-Christian Kindler konstatierte nach der Anhörung: „Eine neue Abgabe, die mehr kostest, als sie einbringt, ist absurd.“