Google kauft Nest Labs: Der Datensammler klopft an die Haustür
Solche Deals gibt es nur in der US-Computerbranche. Der Suchmaschinen-Gigant Google kauft für 3,2 Milliarden Dollar ein Unternehmen mit rund 300 Beschäftigten, das Heizungsthermostate und seit kurzem Rauchmelder vermarktet. Nest Labs heißt die Firma. Es ist die drittgrößte Übernahme in der Geschichte von Google.
Auf seiner Internetseite stellt sich Nest als ein Unternehmen dar, das „ungeliebte, aber wichtige Geräte“ im Haushalt „neu erfindet“. 2011 präsentierte Nest ein lernfähiges Thermostat für Wohnungen und Häuser. Das Gerät „merkt“ sich, wann die Bewohner es gemütlich warm haben wollen und wann die Temperatur herunter gefahren werden kann, weil niemand zu Hause ist. Mit der Zeit wird damit die Wärmeregulierung automatisch immer weiter optimiert.
Nest verspricht, dass damit die Heizkosten bis zu 20 Prozent gesenkt werden können. Im Oktober kam ein intelligenter Rauchmelder hinzu. Die Geräte sind mit Smartphones und Tablet-Rechnern verbunden. Fernsteuerung und Fernüberwachung sind damit möglich. So informiert der Rauchmelder den Nutzer auch darüber, wo der Qualm genau herkommt.
Ähnliche Produkte gibt es auch hierzulande von Firmen, die sich auf Haus- und Heiztechnik spezialisiert haben. Nest ist ein Start-up-Unternehmen, das sich bislang durch Risikokapitalgeber finanzierte.
Viele Ex-Apple-Mitarbeiter
Dass Google für einen mittelständischen Neuling, der detaillierte Geschäftszahlen bislang nicht publik gemacht hat, umgerechnet rund 2,3 Milliarden Euro auf den Tisch legt, hat weniger mit dem Thermostat zu tun, als mit den beiden Managern, die das Unternehmen gegründet haben und es heute führen. Sie heißen Tony Fadell und Matt Rogers und sind alles andere als Neulinge.
Fadell arbeitete beim weltgrößten Computerkonzern Apple einst eng mit dem Chef Steve Jobs zusammen. Er war unter anderem maßgeblich an der Entwicklung des iPods und des iPhones beteiligt. Rogers gehörte ebenfalls zu dem Team, das das Smartphone aus der Taufe hob.
In den vergangenen zwei Jahren haben beiden Nest-Gründer eine ganze Reihe weiterer Apple-Mitarbeiter abgeworben. Laut Finanznachrichtendienst Bloomberg arbeiten derzeit 97 Ex-Apple-Beschäftigte bei der Firma, dessen Thermostat mit seinem puristisch-edlen Design unverkennbar an Produkte des Computergiganten erinnert. Die Geräte arbeiten auch mit dem Smartphone-Betriebssystem iOS des Konzerns, aber ebenfalls mit dem Konkurrenzprodukt Android von Google, das zum Beispiel in Samsung-Geräte integriert ist.
Google-Chef Larry Page preist das Nest-Team, das „faszinierende Produkte liefere“, die man jetzt schon kaufen könne. Künftig werde man neue „tolle Erlebnisse in Haushalte bringen“ und „Träume erfüllen“. Wobei Nest weitgehend selbstständig bleiben und Google zunächst als Finanzier agieren soll, um das Geschäft auszuweiten. Größe sei nun ein entscheidender Faktor, es gehe darum, eine umfassende Infrastruktur aufzubauen, sagte Fadell in einem Interview mit dem Internet-Blog Recode. Der Deal bedeute aber noch viel mehr als nur Geld. Details nannte er nicht.
Doch für Insider ist klar, dass es nicht bei Thermostaten und Rauchmeldern bleiben soll, die bislang in den USA in Kanada und Großbritannien verkauft werden. Das Geschäftsmodell von Nest zielt auf ein System von integrierter Elektronik im Heim ab – vom Fernseher über die Beleuchtung bis zur Tiefkühltruhe, die vom Stromzähler gesteuert wird.
Große Zukunft prognostiziert
In der Branche wird dies unter dem Stichwort „Internet der Dinge“ verhandelt, wobei die automatische Steuerung und Kontrolle auch für Verkehrssysteme und Prozesse in Unternehmen gedacht ist – ein Geschäftsfeld, dem eine große Zukunft zugetraut wird.
So geht das Marktforschungsunternehmen Gartner davon aus, dass im Jahr 2020 weltweit rund 30 Milliarden vernetzte Geräte im Einsatz sind und die Investitionen ins Internet der Dinge dann einen Wert von fast 2 000 Milliarden Dollar erreicht haben.
Allerdings ist insbesondere das Geschäft mit den „Smart Homes“ bislang noch nicht so recht in Gang gekommen. Die Anwendungen gelten als teuer und komplex. Umfragen haben ferner ergeben, dass Nutzer um ihre Privatsphäre fürchten und Verstöße gegen den Datenschutz erwarten. Zu Hause können elektronische Geräte enorm viele sensible Informationen sammeln, mit denen Firmen sehr präzise Profile der Bewohner erstellen können. Und ausgerechnet Google gilt als einer der eifrigsten Datensammler weltweit.
Rogers versichert allerdings auf der Nest-Internetseite, dass Kunden-Daten nur dazu dienten, eigene Produkte und Dienstleistungen zu verbessern. Datenschutz werde sehr ernst genommen, daran ändere sich nichts.