Gutachten zur Vermögenssteuer: Staat darf bei Reichen abkassieren
Zwangsanleihen und eine einmalige Vermögensabgabe zum Abbau von Staatsschulden sind einem Gutachten zufolge verfassungsgemäß. Der Grundgesetz-Artikel 106 erlaube dies, urteilte der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland in einem Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaft Verdi. In dem Artikel werde festgelegt, welche Einnahmen dem Bund zustehen. Genannt werden unter anderem „die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“.
Der Lastenausgleich verpflichtete nach dem Zweiten Weltkrieg Vermögensbesitzer dazu, über Jahrzehnte in Raten in einen Fonds einzuzahlen, aus dem Entschädigungen für Kriegsopfer und Vertriebene flossen. „Wortlaut und herrschende Lehre“ sprächen dafür, darunter nicht nur Vermögensabgaben im Zusammenhang mit dem historischen Lastenausgleich zu verstehen, sagte Wieland. Der Plural „Vermögensabgaben“ sei ein Hinweis darauf, dass die Väter des Grundgesetzes nicht nur an den Kriegslastenausgleich gedacht hätten.
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Der Staat könne allerdings nicht ohne besonderen Grund auf die Vermögen seiner Bürger zugreifen, analysierte der Rechtswissenschaftler, der an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer lehrt und der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer vorsitzt. Nötig sei ein besonderer Finanzbedarf, der sich vom „allgemeinen staatlichen Finanzbedarf“ unterscheide.
Als Konsequenz aus der Finanzkrise fordert ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderer Organisationen eine stärkere Belastung großer Vermögen, um den Sozialstaat abzusichern. „Die beste Schuldenbremse ist eine Vermögensabgabe und die Wiedereinsetzung der Vermögensteuer“, sagte kürzlich Verdi-Chef Frank Bsirske. Solange Deutschland ein Steuerparadies für Vermögende, Erben und Spekulanten darstelle, seien der Sozialstaat und seine Handlungsfähigkeit in den Bereichen Bildung, Umwelt und Gesundheit bedroht. (rtr)