Der Bundesbank-Chef verdient mehr als der Bundeskanzler: Wofür eigentlich?

Joachim Nagel ist überfordert mit der Inflation. Seine Geldpolitik führt in die Rezession. Er verdient fast eine halbe Million pro Jahr – für fast null Verantwortung.

Joachim Nagel, Chef der Bundesbank.
Joachim Nagel, Chef der Bundesbank.REUTERS/Heiko Becker

Der Energiepreisschock zieht eine Spur der Verwüstung in die Wirtschaft. Die Inflationsrate ist zweistellig, die Firmenpleiten nehmen zu, die Wirtschaftsinstitute rechnen mit schrumpfender Wirtschaft, Millionen bibbern vor der Nebenkostenabrechnung und kürzen ihre Alltagsausgaben. Zudem geht die Sorge der Deindustrialisierung um: Deutsche Industrie wandere ins Ausland ab – samt all den Arbeitsplätzen. Die hohen Energiepreise sind nämlich nicht nur sozialer Sprengstoff, sondern auch ein Wettbewerbsnachteil für Firmen, die international konkurrieren. Deutschland droht der Abstieg – wirtschaftlich und sozial. 

Deindustrialisierung und Abstieg der Wirtschaft: Wer sollte das verhindern?

Verhindern soll das eigentlich die Zentralbank. In Deutschland ist das die Bundesbank. Seit diesem Jahr hat sie einen neuen Chef: Joachim Nagel. Der Mann kennt die Szene wie seine Westentasche, hat früher schon 17 Jahre für die Bank gearbeitet, wechselte danach zur staatlichen Bank KfW, saß im Aufsichtsrat der deutschen Börse und ist jetzt der Kopf der Bundesbank. Wohlgemerkt: Auf Vorschlag der regierenden SPD, in der er selbst Mitglied ist. Nagel ist der Mann, der mit den anderen Zentralbänkern Europas die Inflation bekämpfen soll. Das ist ebenfalls eine Hauptaufgabe der Zentralbank.

Wenn Nagel sich im Bundestag einmal im Quartal den Fragen der Abgeordneten stellt, merkt man ihm die Überforderung an. Und das ist nicht mal ein Vorwurf. Denn die Zentralbank kann zwar den Zins hoch- und runtersetzen, mehr oder weniger Anleihen kaufen, aber das bringt eben nicht eine günstige Kilowattstunde mehr Gas oder Strom.

Trotzdem ruft Nagel seit Monaten nach starken Zinserhöhungen. Sein Plan: Wenn die Zentralbank die Zinsen anhebt, müssen Banken Kredite teurer machen. Das erschwert Firmen, ihre Investitionen zu finanzieren und bremst die Wirtschaft aus. Dann laufen Geschäfte schlechter und Arbeitern drohen Jobverluste. Das wiederum soll Gewerkschaften davon abhalten, höhere Löhne zu fordern und Firmen dazu bringen, ihre Preise zu senken. Die Spur der Verwüstung soll niedrige Preise erpressen. Wie aber, wenn doch explodierende Energiepreise aus dem Ausland der Hauptgrund sind?

Joachim Nagel, der Küchenpsychologe

„Wir haben einen Energiepreisschock, an dessen Wirkung wir kurzfristig nicht viel ändern können“, gesteht Nagel im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er setzt wie konservative Ökonomen auf Küchenpsychologie. Die Idee dahinter: Wenn nur alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Zentralbank abkaufen, dass sie mit hohen Zinsen die Preise schnell runterbringt, dann würden sie auf hohe Lohnsteigerungen und Preisanpassungen verzichten – und das würde zumindest verhindern, dass die Inflation zusätzlich befeuert wird. Eine Prophezeiung, die sich selbst erfüllen soll. Und zeigt: Außer dem Zinshammer hat die Zentralbank nicht viel in ihrem Werkzeugköfferchen, nur leider ist der Energiepreisschock kein Nagel.

Die Bundesbank nutzt den Hammer aber trotzdem, um halt irgendwas gemacht zu haben. Dieser blinde Aktionismus würgt aber die Wirtschaft ab und hat massive Nebenwirkungen. Für die Firmen, die deshalb pleite gehen; für die Malocher, die deshalb ihren Job verlieren und ihre Nebenkostenabrechnung nicht bezahlen können; für die Häuslebauer, die Probleme mit ihrer Anschlussfinanzierung bekommen; und für die Banken, bei denen Kredite ausfallen. Die Nebenwirkungen redet Nagel aber klein. Das sei eben eine „Durststrecke“, die es zu überwinden gelte, sagt er dazu. Leicht gesagt, wenn man als Bundesbank-Präsident 484.762 Euro pro Jahr verdient – mehr als der Bundeskanzler! –, den Job seinem Parteibuch zu verdanken hat und auf acht Jahre quasi unkündbar ist.

„Einer von uns“?

In einem jüngeren Interview beteuert Nagel übrigens, zuhause auch nur sparsam zu heizen und die Heizanlagen im pompösen Büro maximal auf 19 Grad zu stellen. „Ein dicker Pulli liegt bisher noch nicht in meinem Büro. Den werde ich mir aber demnächst mitbringen“, fügt er hinzu. Die Botschaft: Ich bin einer von euch. Das ist aus zwei Gründen zynisch. Erstens, weil er nach seiner Bankenkarriere und den üppigen Bundesbankgehältern längst mehrfacher Millionär sein müsste. Der Preisschock geht an ihm komplett vorbei, höhere Zahlen auf seiner Nebenkostenabrechnung müssen ihn schlicht nicht interessieren. Und zweitens, weil er dafür verantwortlich ist, dass abertausende Menschen durch die Zinserhöhungen ihren Job verlieren. „Wir werden vorübergehend sicher einen Anstieg der Arbeitslosigkeit sehen“, gesteht er im Interview, als ginge es nur um Zahlen, nicht um Existenzen, soziale Härten und Abstiegsängste.

Ohnehin ist das, was eine Zentralbank macht, sehr weit weg von jenen, die Deutschland mit ihrer täglichen Maloche am Laufen halten. Dass die Zentralbanktechnokraten mit höheren Zinsen für mehr Arbeitslose und weniger Lohnzuwachs sorgen wollen, ist den wenigsten bewusst.

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