Klaus Wiesehügel: Abgang ohne Blamage

Die Blamage blieb Klaus Wiesehügel zum Abschied erspart. Nach 18 Jahren an der Spitze der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) waren ihm die Delegierten noch einmal gefolgt: Seine Mitarbeiterin Ulrike Laux schaffte auf dem Gewerkschaftstag im Berliner Estrel-Hotel den Sprung in den Bundesvorstand. In einer Kampfabstimmung setzte sie sich am Ende klar durch. Das war nicht selbstverständlich, weil der Beirat der Gewerkschaft nur Männer für die Spitzenämter nominiert hatte.

Doch der Kongress setzte sich über die Vorgabe hinweg und wehrte damit die Peinlichkeit gerade noch ab. Immerhin eine Frau darf nun in dem fünfköpfigen Führungsgremium mitbestimmen.

Und so konnte Wiesehügel aufatmen. Das Jackett abgestreift, die Ärmel hochgekrempelt, die ergrauten Haare zerzaust – so kennt ihn die Öffentlichkeit. Freiwillig trat der 60-Jährige ab, um nach der Bundestagswahl am 22. September Arbeitsminister unter Peer Steinbrück in einer SPD-geführten Regierung werden zu können. Die Chancen dafür stehen nicht gut. Dennoch meinen viele, Wiesehügel habe den richtigen Zeitpunkt gewählt, um sich als Gewerkschaftsfunktionär zu verabschieden. Die Mitgliederzahl ist in seiner Amtszeit um über die Hälfte gesunken – und damit noch stärker, als die Beschäftigung in der Branche schrumpfte.

Mit anonymen Schreiben gehen ehren- und hauptamtliche Funktionäre nach draußen und beklagen einen autoritären Führungsstil, warnen vor einem finanziellen Ausbluten einer schrumpfenden Organisation. Unbestritten sind auf der anderen Seite die Leistungen Wiesehügels. Schon 1997 setzt er den ersten tariflichen Mindestlohn in Deutschland durch und installierte das Kurzarbeitergeld für Saisonarbeiter. 2002 führte er den ersten Bauarbeiterstreik seit dem Zweiten Weltkrieg zum Erfolg. In der SPD nimmt Wiesehügel als Agenda-Kritiker Einfluss, begehrt lautstark gegen Rente mit 67 auf. Dass ihn Steinbrück dennoch in sein Schattenkabinett aufnahm, zeigt, wie stark sich die SPD unter dem Druck der Gewerkschaften gewandelt hat.

Ende einer Ära

Und so geht mit dem Abtritt Wiesehügels eine Ära zu Ende. Der gelernte Betonbauer, ein echter Arbeiter und Arbeiterführer, geht und übergibt an einen Kaufmann. Ein Mann der Zahlen sei er, sagt Nachfolger Robert Feiger selbst. Doch auch der neue Vorsitzende kennt die Gewerkschaft aus dem Effeff, hat alle Stationen einer Funktionärskarriere hinter sich, gehört seit 2007 dem Bundesvorstand an – seit 2009 in der Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden. Mit 83 Prozent erhielt der 50-Jährige bei seiner Kür zum Chef mehr Zustimmung, als Wiesehügel 1995 bei seiner ersten Wahl zum Vorsitzenden bekommen hatte.

Obwohl parteilos und nicht der Wunschkandidat Wiesehügels, steht der Bayer nicht für einen Richtungswechsel. Sowohl beim Fußball als auch beim Eishockey habe er in der Jugend immer auf der linken Seite gespielt, berichtet Feiger. Als seine wichtigsten Aufgaben bezeichnet er die Mitgliedergewinnung und die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Haupt-und Ehrenamtlichen in der Gewerkschaft. In den vertretenen Branchen – neben dem Bau sind dies der Gartenbau, die Land- und Forstwirtschaft – dominieren die kleinen Firmen mit wenigen Beschäftigten.

Schon deswegen ist es schwerer als in der Auto- oder Chemieindustrie, die Belegschaften zu organisieren und zum Beitritt zu überreden. Fast die Hälfte der Lehrlinge sei nach fünf Jahren aus der Branche wieder ausgeschieden, sagt Feiger. Auch deshalb will die Gewerkschaft unter seiner Führung weiter gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträge kämpfen.