Gasumlage der Ampel treibt uns in die Enge – und Putin reibt sich die Hände

Der Beschluss der Bundesregierung, die „Rettung“ der Energiekonzerne den Verbrauchern zu überlassen, erfüllt die Erwartungen des Kreml. Deutschland macht einen Fehler.

Für einen Vierpersonenhaushalt werden zusätzliche Kosten von 484 Euro im Jahr erwartet – ohne Mehrwertsteuer.
Für einen Vierpersonenhaushalt werden zusätzliche Kosten von 484 Euro im Jahr erwartet – ohne Mehrwertsteuer.imago/Ekaterina Yakunina

Die Höhe der Gasumlage ist nun bekannt gegeben worden. Alle Gasverbraucher – Firmen und die Hälfte der Haushalte hierzulande – sollen ab Oktober zusätzlich 2,419 Cent pro Kilowattstunde zahlen: So viel brauchen die Gasimporteure offenbar, um „einen Teil der Mehrkosten der Ersatzbeschaffungen von Gas finanziell auszugleichen“. Für einen Pärchenhaushalt würde die Beschaffungsumlage nach einer Berechnung des Vergleichsportals Verivox je nach Gasverbrauch im Schnitt 350 Euro mehr im Jahr bedeuten, zusätzlich zu den bereits eingetretenen Preissteigerungen.

Die Berechnung für die Gasumlage hat der Marktgebietsverantwortliche im deutschen Gasmarkt Trading Hub Europe GmbH, ein Gemeinschaftsvertreter der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber, gemacht. Vertreten durch ein privatwirtschaftliches Unternehmen, durfte die Gasbranche also selbst entscheiden, wie viel Geld sie braucht oder will. Ist das nicht merkwürdig?

Ein Blackout ist unwahrscheinlich

So wichtig es offensichtlich ist, dass der Staat dem Gasimporteur Uniper angesichts der ausgefallenen russischen Lieferungen mit einem Rettungspaket hilft, so brisant stellt sich die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit, wenn man etwa mitkriegt, dass RWE und Shell auf die Gelder aus der Gasumlage verzichten wollen. Die beiden Konzerne gehören laut Ökonomen zu klaren Krisengewinnern, die wohl Übergewinne kassieren. Ob sie so einer möglichen Übergewinnsteuer aus dem Weg gehen wollen oder nicht, ist eine andere Frage. So oder so: Das Geld brauchen sie nicht.

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War die Entscheidung der Bundesregierung für die Gasumlage aus dieser Perspektive voreilig? Die dritte Eskalationsstufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Notfallstufe, ist noch nicht ausgerufen worden, und ein Blackout, wie Großbritannien ihn schon einplant, ist laut der Bundesregierung so gut wie unwahrscheinlich.

Die Inflation wird steigen

Die Bundesregierung erklärte ihren Beschluss vom 5. August ebenfalls mit dem Ziel, Insolvenzen und Lieferausfälle in der Gasversorgung zu verhindern und so die Versorgungssicherheit für uns alle aufrechtzuerhalten. Aber wäre es für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht logischer, bei den Gaskonzernen, die wirklich insolvenzbedroht sind, einzeln vorzugehen, wie im Fall von Uniper oder selbst im Fall der Lufthansa in der Pandemie?

Lufthansa ist zwar anders als die Energiekonzerne staatlich. Trotzdem ist der Anspruch des Einzelnen aufs Fliegen nicht mit seinem Recht auf bezahlbare Energie zu vergleichen. Das Ausmaß der Krise in Deutschland ist einfach viel zu groß, um gegen die Not der Vielen mit Begriffen wie staatlich oder nicht staatlich zu argumentieren. Deutschlands Energiesicherheit sollte in der „Zeitenwende“ nicht nur realisierbar, sie sollte auch sozial tragbar sein. Lufthansa musste die staatlichen Milliarden auch zurückzahlen. Warum jetzt als Staat also nicht etwas mehr ausgeben, um die wirklich bedürftigen Energiekonzerne zu retten?

Denn schon vor der Gasumlage zeigte sich in Umfragen jeder zweite Deutsche dazu bereit, wegen der hohen Energiepreise auf die Straße zu gehen. Die Gasumlage wird die Inflation in Deutschland nach Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) auf über zehn Prozent treiben.

Es drohen größere Konflikte

Teureres Gas wird wieder alle Verbraucherpreise nach oben treiben und die sozialen Spannungen verschärfen. Es wird mehr Menschen geben, die sich noch teurere Energie und Lebensmittel nicht leisten können. Mehr Unzufriedene. Selbst für die Unternehmen könnten sie zu einer existenziellen Bedrohung werden, sagt der Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB),  Sven Weickert, dazu. Das gelte vor allem für die energieintensiven Industrien, die keine Alternative zum Gas haben.

Das ist doch letztendlich das, was Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet: Mehr soziale Spannungen in den westlichen Gesellschaften, mehr Unzufriedenheit mit den nationalen Regierungen und letztendlich auch „eine Spaltung innerhalb der westlichen Gesellschaft selbst“, wie der in London lebende russische Politologe und Putin-Kenner Wladimir Pastuchow schreibt.

Diese Spaltung drohe sich zu einem eigenen schweren internen Konflikt zu entwickeln, in dem die Frage der militärischen und finanziellen Hilfen für die Ukraine zu einem der großen Streitthemen in Europa werden könnte. Am Ende zählt das Ergebnis. Wenn immer wieder die Verbraucher zur Kasse gebeten werden, kann das nur wenig angenehm enden.

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