Kommentar zur Vermögensabgabe: Warum wir die Reichenabgabe brauchen

Während sich die Staatsverschuldung in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren auf rund zwei Billionen verdreifacht hat, sind die Geldvermögen der Deutschen – darunter natürlich auch Staatsanleihen - von 1,8 auf vier Billionen Euro gestiegen. Die Entwicklung in den südeuropäischen Krisenstaaten ist ähnlich. Verrechnet man Staatsschuld und Privatvermögen, hat Europa überhaupt kein Schuldenproblem.

Dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nun eine Reichenabgabe auf höhere private Vermögen vorschlägt, ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Erstens würde sie diejenigen treffen, die von der Stabilisierung des Finanzsystems und die teuren Bankenrettungen am meisten profitiert haben.

Zweitens würde die Vermögensabgabe im Gegensatz zu Steuern auf kleinere Einkommen oder Konsumsteuern kaum Auswirkungen auf die Einkaufslust der Bürger haben. Drittens wären erhebliche Erlöse möglich. Der Schuldenstand Deutschlands könnte durch eine moderate einmalige Abgabe laut DIW um mehr als zehn Prozent fallen. Viertens ist es bei einer einmaligen Abgabe unwahrscheinlicher als bei einer Dauerbesteuerung, dass das Kapital ins Ausland flieht.

Zwei Dinge sind inkonsequent am DIW-Vorschlag. Die Forscher sprechen vorsichtig von einer Zwangsanleihe, die nur möglicherweise nicht zurückgezahlt würde. Das wäre in den südeuropäischen Ländern, die sich nur zu hohen Zinsen noch Geld leihen können, vielleicht sogar noch praktikabel. In Deutschland ergibt eine Anleihe keinen Sinn, denn zusätzliche Schulden können wir ohnehin zu extrem niedrigen Zinsen machen.

Deutschland - ein Paradies für Vermögende

Was hierzulande helfen würde, wäre also nur eine Vermögensabgabe ohne Aussicht auf Rückzahlung. Zweitens setzt das DIW sehr tief an und will schon Vermögen ab 250.000 Euro in Anspruch nehmen. Das ist fragwürdig, denn für diese Summe bekommt man in München oder Frankfurt nicht einmal eine familientaugliche Wohnung. Der „Freibetrag“ der Abgabe müsste deutlich höher liegen. Zudem sollte die Abgabe mit der Vermögensgröße ansteigen. Eine „Flatrate“, bei der der Millionär prozentuell so viel zahl wie der Milliardär, wäre ungerecht.

Wer nun ganz prinzipiell „Enteignung!“ ruft, sei darauf hingewiesen, dass Deutschland in den vergangenen 15 Jahren zu einem Paradies für Vermögende geworden ist. Die Vermögenssteuer ist abgeschafft, die Erbschaftssteuer extrem niedrig. Selbst die Einkommen aus Vermögen werden sehr niedrig besteuert, während die Lohnsteuern vergleichsweise hoch sind.

So kommt es, dass ein Abteilungsleiter bei BMW wohl einen höheren persönlichen Steuersatz auf sein Einkommen zahlt als die Miteigentümer des Konzern, die milliardenschweren Quandt-Erben wie Susanne Klatten. Diese Schieflage hat sogar die OECD schon bemängelt, die wohl kaum unter Sozialismusverdacht steht.

Auch historisch betrachtet wäre eine solche einmalige Reichenabgabe keinesfalls ein Tabubruch. Mit dem Lastenausgleichsgesetz mussten die Vermögenden in Deutschland ab 1952 Entschädigungen für die Vertriebenen und Kriegsgeschädigten zahlen. Über 30 Jahre kamen 115 Milliarden Mark zusammen – damals eine fast unvorstellbare Summe.

Es ist hohe Zeit, die Vermögenden in die Pflicht zu nehmen. Da eine Reichenabgabe zur Stabilisierung des Euros beiträgt, profitieren die Reichen mit am meisten davon. Falls die Eurokrise wirklich außer Kontrolle gerät, ist gar nichts mehr sicher, auch große Vermögen. Eine Reichenabgabe könnte da viel billiger kommen.