Krankenversicherung: Entlastung für Hunderttausende
Für mehr als eine halbe Million Menschen bringt der 1. August eine deutliche Entlastung. Kurz vor Ende der Wahlperiode tritt ein Gesetz in Kraft, das einen Schuldenerlass für säumige Mitglieder der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung vorsieht. Insgesamt geht es um Beitragsschulden von rund 1,5 Milliarden Euro. Außerdem baut die schwarz-gelbe Koalition den Menschen eine Brücke, die sich rechtswidrig noch immer nicht versichert haben. Die wichtigsten Informationen zu diesem Gesetz:
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Wie sind die hohen Beitragsschulden überhaupt entstanden?
Seit April 2007 besteht eine Pflicht zur Krankenversicherung. Jeder Bürger muss sich in einer gesetzlichen (GKV) oder privaten Krankenversicherung (PKV) versichern. Rückwirkend zum Stichtag müssen nach alter Gesetzeslage bei der GKV alle Beiträge nachgezahlt werden, egal wann man sich bei einer Kasse anmeldet. Dazu kommen Strafzinsen von fünf Prozent im Monat, also 60 Prozent im Jahr. Im PKV-Bereich ist je nach Dauer der unversicherten Zeit ein einmaliger Prämienzuschlag von bis zu 15 Monatsbeiträgen fällig. Aus Sorge vor den Nachzahlungen haben sich rund 140.000 Menschen noch immer nicht versichert. Hinzu kommt eine zweite Gruppe von Betroffenen, bei denen es sich oft um kleine Selbstständige handelt. Sie sind zwar krankenversichert, können aber aus finanziellen Gründen die Beiträge nicht zahlen. Auch bei ihnen türmen sich von Monat zu Monat die Schulden höher auf. Ein gesetzlich versicherter Selbstständiger, der seinen Beitrag nicht zahlt, sitzt nach zwei Jahren schon auf Beitragsschulden von 10.447 Euro, wovon 3847 Euro Säumniszuschläge sind.
Was ändert sich für Menschen, die bis heute unversichert sind?
Zunächst einmal wird der Säumniszuschlag in der GKV grundsätzlich von fünf auf ein Prozent pro Monat reduziert, und zwar rückwirkend. Für bisher Unversicherte, die sich bis 31. Dezember 2013 bei einer gesetzlichen Krankenkasse anmelden, gilt folgendes: Sowohl Beitragsschulden als auch Säumniszuschläge werden dann vollständig erlassen. Wird diese Frist versäumt, werden Schulden und Zuschläge nur noch ermäßigt, aber nicht erlassen. Der Rabatt liegt im Ermessen der Krankenkasse. Im PKV-Bereich gilt: Wer sich bis zum Stichtag 31. Dezember 2013 anmeldet, muss keinen Prämienzuschlag zahlen. Danach gelten wieder die vollen Strafen. Durch das neue Gesetz wird aber die Stundung erleichtert.
Was gilt für Menschen, die inzwischen bei einer gesetzlichen Kasse sind, aber seit 2007 zeitweise unversichert waren?
Hat sich eine Person zum Beispiel erst am 1. Januar 2010 bei einer gesetzlichen Kasse gemeldet, werden ihm die Schulden und Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2009 vollständig erlassen.
Welche Hilfen erhalten GKV-Versicherte, die keine Beiträge zahlen (können)?
Die Krankenkassen sind angehalten, die aufgelaufenen Beitragsschulden zu erlassen oder zumindest zu stunden. Jeder Betroffene sollte das so schnell wie möglich mit seiner Kasse verhandeln. Einen Rechtsanspruch gibt es jedoch nicht. Der Säumniszuschlag wird aber auf alle Fälle rückwirkend und für die Zukunft von fünf auf ein Prozent gesenkt. Damit reduziert sich die Gesamtschuld deutlich. Reicht bei Selbstständigen des Einkommen nicht für die laufendende Beitragszahlung, kann der Beitrag unabhängig von dem neuen Gesetz ermäßigt werden. Das muss mit der Krankenkasse besprochen werden.
Was gilt künftig für PKV-Versicherte, die nicht oder unregelmäßig zahlen?
Damit die Schulden säumiger Zahler nicht ständig weiter wachsen, wird ein preiswerter „Notlagentarif“ eingeführt. Er enthält einen reduzierten Leistungsumfang, in dem vor allem die Akutversorgung sichergestellt ist. Alterungsrückstellungen werden nicht aufgebaut. Laut PKV-Verband wird der Tarif etwa 100 bis 125 Euro im Monat kosten. Die Umstufung in den Notlagentarif soll rückwirkend erfolgen, so dass die Schuldenlast der säumigen Versicherten auch für die Vergangenheit deutlich reduziert wird. Sobald alle Schulden beglichen sind, können die Betroffenen in ihren Normaltarif zurückkehren.