Leopard-Panzer in die Ukraine: Was können sie bewirken?

Militärexperten glauben, dass die Ukraine ihre militärische Strategie ändern müsse, um auf dem Schlachtfeld Erfolg zu haben.

Ein Kampfpanzer Leopard 2 während einer Bundeswehrübung.
Ein Kampfpanzer Leopard 2 während einer Bundeswehrübung.Foto: Peter Steffen/dpa

Die Entscheidung Deutschlands, Leopard-2-Panzer in die Ukraine zu liefern, löst nach Ansicht von Militärexperten das militärische Dilemma der Ukraine nicht auf. Zum einen ist die Zahl der geplanten Panzer zu gering: Der Oberkommandierende der Streitkräfte der Ukraine, General Waleri Saluschni hatte im Dezember in einem Interview mit dem Economist gesagt, die Ukraine brauche 300 Panzer, 600 bis 700 gepanzerte Kampffahrzeuge und 500 Haubitzen, um Russlands Gewinne auf dem Schlachtfeld rückgängig zu machen. Markus Reisner, Militärexperte und Oberst des österreichischen Bundesheers, sagte auf n-tv, Russland verfüge trotz der schweren Verluste in der Ukraine immer noch über mehrere Tausend Panzer, die instandgesetzt und zum Einsatz im Krieg gebracht werden könnten.

Franz-Stefan Gady vom International Institute for Strategic Studies, zeigt in einer Analyse für die Financial Times auf, dass der Einsatz der deutschen Panzer in einem entsprechenden Kontext erfolgen müsse. Er vergleicht die Frage, welche Waffe einer anderen überlegen sei, mit einem „tödlichen Schere-Stein-Papier-Spiel“. Panzer vom Typ Leopard 2 würden nach Gadys Einschätzung „idealerweise neben gepanzerten Infanterie-Kampffahrzeugen, selbstfahrender Artillerie, Luftverteidigungssystemen und elektronischer Kriegsführung eingesetzt“. Ein erfolgreicher Einsatz „könne nur durch umfangreiches Training, Änderungen in der Doktrin und den kontinuierlichen Fluss westlicher Waffen und Munition erreicht werden“, so Gady in der FT.

Aktuell führten die USA ein kombinierte Waffenausbildung für die Ukraine durch. In einer „Einrichtung in Deutschland“ werde ukrainischen Einheiten beigebracht, „wie sie Kompanie- und bataillonsgroße Formationen im Kampf besser koordinieren können“. Doch Washingtons Zusage, M1-Abrams-Panzer zu liefern, werde Operationen Kiews „zusätzliche Komplexität“ hinzufügen, da diese Panzer andere Fähigkeiten und logistische Anforderungen als die Leopard 2 hätten.

Gady erläutert, dass moderne kombinierte Waffenoperationen ihren Ursprung in den späteren Jahren des Ersten Weltkriegs hätten, als das kaiserliche Deutschland neue Taktiken entwickelte, um die Artillerie-dominierte Westfront zu überwinden. Die Verbündeten der Ukraine hofften nun, dass diese Taktik Kiew helfen wird, sich im Zermürbungskampf gegen Russland durchzusetzen.

Die Ukraine setzt derzeit ihre Verbände von Kampfpanzern aus der Sowjetzeit eher in indirekten Feuerunterstützungsmissionen als in der Panzer-gegen-Panzer-Kriegsführung ein, schreibt Gady. Um den Leopard 2, der über eine überlegene Panzerung und eine genauere Kanone als russische Panzer verfügt, aber voll auszunutzen, müsste Kiew eine neue Strategie für seine Offensivoperationen entwickeln. Die Stärke dieser Panzer liege in ihrer bloßen Zahl: Die Ukraine muss in der Lage sein, mindestens eine Panzerbrigade bestehend aus bis zu 100 Leopard 2 zu betreiben und zu unterhalten, um einen signifikanten Einfluss auf den Konflikt zu haben. Dies werde „extrem herausfordernd, aber nicht unmöglich“.

US-Generalstabschef Mark Milley hatte die Hoffnungen auf einen baldigen militärischen Sieg der Ukraine im von Russland begonnenen Krieg auf der Ukraine-Konferenz in Ramstein gedämpft. Aus militärischer Sicht sei es „sehr, sehr schwierig“ für die Ukraine, in diesem Jahr die russischen Streitkräfte aus jedem Zentimeter der Ukraine und russisch besetzten Gebieten zu vertreiben, hatte Milley gesagt. „Das heißt nicht, dass es nicht passieren kann“, sagte Milley, „aber es wäre sehr, sehr schwierig“. Er glaube, dass auch dieser Krieg wie viele zuvor am Verhandlungstisch enden werde.

Zwar fänden massive Kampfhandlungen statt und der Ukraine seien einige wichtige Vorstöße gelungen. Die Frontlinie sei aber sehr lang und überwiegend statisch, sagte Milley weiter. Zu erwarten sei zunächst eher, dass der Fokus weiterhin auf der Verteidigung liege, um die Front zu stabilisieren. Und je nachdem, wie schnell die Waffenlieferungen internationaler Partner und das Training des ukrainischen Militärs an neuen Waffensystemen vorankämen, sei auch eine bedeutende Gegenoffensive der Ukraine möglich, um so viel ukrainisches Gebiet wie möglich zu befreien. (mit dpa)