Berlin-Es war der bisher längste Flug der Lufthansa: 15 Stunden und 37 Minuten benötigte der A350-900 der Lufthansa, um die Polarforscher der Antarktis-Forschungsstation „Neumayer III“ auf die Falklandinseln zu bringen. Für die angeschlagene Fluglinie war es einer der wenigen Höhepunkte nach einem wirtschaftlich äußerst schwierigen Jahr. Die Corona-Krise hatte den Lufthanseaten voll zugesetzt.
Der konzernweite Umsatz von Januar bis September 2020 brach im Zuge der Pandemie um 60 Prozent auf knapp 11 Milliarden Euro ein – 2019 machte der Luftfahrtkonzern im selben Zeitraum noch einen Umsatz von 27 Milliarden Euro. Die Lufthansa erlitt während der ersten neun Monate des Corona-Jahres 2020 über 5,5 Milliarden Euro Verlust. Diese Zahlen sind vor allem auf den Einbruch bei den Passagierzahlen zurückzuführen, 2019 beförderte die Lufthansa noch 145 Millionen Passagiere, 2020 waren es hingegen nach Analystenschätzungen gerade einmal 40,6 Millionen – gerade einmal so viele wie letzten Quartal 2019.
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Auch das Frachtgeschäft der Lufthansa litt unter Corona, denn Luftfracht wird nicht immer durch spezielle Frachtmaschinen bewegt: Wenn Passagiermaschinen wegen geringer Auslastung am Boden bleiben, stehen auch weniger Frachträume für die Luftfracht zur Verfügung. Das Angebot an Fracht-Tonnenkilometern (zurückgelegte Kilometer multipliziert mit der beförderten Fracht in Tonnen) verringerte sich von Januar bis September 2020 um 40 Prozent, der Absatz (verkaufte Fracht-Tonnenkilometer) sank zeitgleich um 32 Prozent.
Am kommenden Donnerstag stellt Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, zusammen mit seinem Finanzvorstand Remco Steenbergen die Geschäftszahlen für das Gesamtjahr 2020 vor. Analysten erwarten auch für das letzte Quartal des Jahres 2020 erhebliche Verluste, so dass die Schuldenlast des Konzern nochmals erheblich steigen dürfte. Dadurch, dass es dem Konzern jedoch gelang, die Fixkosten um über 40 Prozent zu reduzieren und dem Konzern gleich in vier Ländern mit insgesamt 9 Milliarden Euro an Staatshilfen unter die Arme gegriffen wurde, gibt es auch Grund zur Hoffnung. Der Fortbestand der nationalen Luftfahrtgesellschaften, die im Lufthansa Mutterkonzern organisiert sind, ist für Deutschland (Lufthansa), Belgien (Brussels Airlines), Österreich (Austrian Airlines) und die Schweiz (Swiss) nicht nur eine Sache des nationalen Prestiges, sondern hat im Zeitalter der Globalisierung auch strategische Bedeutung.
Trotzdem benötigt die Lufthansa viel Kapital, um auch das kommende Jahr zu überstehen. Jeder weitere Monat im Lockdown kostet die Airlines sehr viel Geld: Rein rechnerisch verliert der Konzern alle zwei Stunden über eine Millionen Euro. Dass Spohr entschlossen ist, dieses Geld zu beschaffen und dabei auch nicht davor zurückschreckt, das Tafelsilber zu verkaufen, beweist, dass er Anfang Januar fünf Airbusse A350 sowie drei Flugzeuge aus der A320-Familie über eine sogenannte Sale-and-Leaseback-Finanzierung veräußerte. Dabei werden die Flugzeuge an Banken, Pensionsfonds und Unternehmensinvestoren verkauft und über lange Zeiträume zurückgeleast – so entsteht kurzfristig Liquidität. Das ist durchaus branchenüblich: Etwa die Hälfte aller Verkehrsflugzeuge der Welt befindet sich mittlerweile im Eigentum von speziellen Leasing-Firmen, die ihre Flugzeuge den Airlines gegen Gebühr zur Verfügung stellen.
Zusätzlich wurden 1,6 Milliarden Euro über einen Bond und Wandelanleihen aufgenommen. Dass sich die Lufthansa mittlerweile dank der Staatshilfe wieder über den Kapitalmarkt finanzieren kann, ist ein gutes Zeichen für den Konzern. Für die Mitarbeiter sieht die Lage weniger rosig aus: Im Jahr 2020 musste jeder fünfte Mitarbeiter den Konzern verlassen, so dass die Lufthansa-Gruppe nur noch etwa 115.000 Beschäftigte hat. Dass weitere Mitarbeiter gehen müssen, gilt als ausgemacht – die interne Zielgröße liegt bei 100.000 Mitarbeitern, die meisten davon sollen bei den Lufthansa-Tochterunternehmen wie Germanwings eingespart werden.
Aber auch der Lufthansa-Konzern wird es in den kommenden Jahren schwer haben, an die vergangenen Erfolge anzuknüpfen, insofern könnte sich der derzeitige Börsenkurs von knapp 13 Euro als allzu optimistisch erweisen: Er liegt lediglich 20 Prozent unter dem Wert vor der Corona-Pandemie. Vergangene Krisen der Luftfahrt dauerten oft lange an und bedeuteten deshalb erhebliche Einschnitte in das Geschäft der Airlines: Es dauerte fast fünf Jahre, bis sich die Fluggesellschaften von den Terroranschlägen des 11. September 2001 erholten und an das vorangegangene Wachstum bei den Passagierzahlen anknüpfen konnten. Unmittelbar nach 9/11 sank die Anzahl der Flugreisen allein in den USA um mehr als 30 Prozent. Die Verlagerung von geschäftlichen Treffen in das Internet könnte vor allem das margenstarke Geschäft der Lufthansa mit der Business Class auf längere Zeit belasten.