Maut-Vertrag Toll Collect: Der Milliarden-Deal

Der Aufruhr war groß, als die schwarz-gelbe Mehrheit am Mittwoch Punkt 30 von der Tagesordnung des Haushaltsausschusses im Bundestag kippte: SPD und Linke hatten beantragt, dass das Parlament endlich über die Verhandlungen um die Maut-Milliarden informiert wird, die der Bund seit Monaten mit zwei der größten deutschen Konzerne führt: Telekom und Daimler, die er als Gesellschafter von Toll Collect auf sieben Milliarden Euro Entschädigung und Vertragsstrafe für den verspäteten Maut-Start verklagt.

Frechheit, heimlich Deals einzufädeln

Nach acht Jahren wollen die Partner den Streit nun beenden – offenbar in einem Abwasch mit der Frage, wie es nach Ablauf des Maut-Vertrages 2015 weitergeht. Das Verkehrsministerium wolle, so melden mehrere Medien übereinstimmend, die Konzerne als Gesellschafter von Toll Collect ablösen. Das Finanzministerium habe zugestimmt, heißt es – obwohl beide Häuser jeden Kommentar verweigern. Es gebe keinen neuen Stand, das Schiedsverfahren laufe. „Das hören wir seit Monaten“, sagte SPD-Haushälter Johannes Kahrs. „Es wäre eine Frechheit, wenn das eine Lüge war und man heimlich Deals einfädelt.“ Brisanz enthält der Plan reichlich. Zwar erlaubt der bestehende Vertrag ausdrücklich die Übernahme von Toll Collect durch den Bund nach 2015. Allerdings ist die derzeit gestreute Aussage falsch, dem Bund bleibe keine Alternative. Erstens gab es bei der ersten Ausschreibung Konkurrenten, die inzwischen sogar an Toll Collect mitwirken. Zweitens kann der Bund die Kooperation um drei Jahre verlängern – ohne Vetorecht der Firmen. Drittens heißt es aus Verhandlungskreisen, der Bund erwäge, Toll Collect nur für eine „logische Sekunde“ zu übernehmen – und sofort zu verpachten, womöglich an die Telekom. Das wäre vergaberechtlich heikel, weil es Konkurrenten ausschließen würde.

Es wäre auch fraglich, warum die Übernahme der Verlängerung vorgezogen wird. Dahinter könnte stecken, dass der Kaufpreis, den der Bund zu zahlen hätte, im Vertrag nur als Summe aus Eigenkapital und Ertragswert von Toll Collect definiert ist. Doch Erträge brächte die GmbH ohne Bundesauftrag keine mehr, das Eigenkapital hängt allein vom Schiedsverfahren ab. Soll also der Kaufpreis Schadensersatz-Zahlungen kompensieren? In den Verhandlungen, heißt es, wollen die Konzernmanager jedenfalls erreichen, ohne finanzielle Belastungen aus dem Verfahren zu kommen.

So könnte zum Paketdeal gehören, zwar einen Teil der Milliarden-Entschädigung zu zahlen, dann aber vom Mautbetrieb nach 2015 extra zu profitieren. Das passt zu den Plänen von Verkehrsminister Peter Ramsauer: Der wolle verhindern, dass durch eine EU-weite Ausschreibung ausländische Firmen die deutsche Maut eintreiben. Ohnehin ist die Zeit für die Ausschreibung knapp – die Übernahme jetzt anzukündigen, wäre sinnvoll. Dafür müsste der Bund zwar das Schiedsverfahren nicht abwürgen, in dem er sich auf der Siegerstraße sieht – atmosphärisch besser ist es allemal.

"Das Geschäft lohnt sich"

Offiziell geben sich die Konzerne zwar wortkarg. „Wir bestätigen, dass Gespräche geführt werden“, sagte ein Telekom-Sprecher nur. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen sind aber beide Firmen sehr wohl interessiert, das System weiter zu betreiben. „Das Geschäft lohnt sich“, heißt es. Das deutsche System ist zwar das komplexeste, das weltweit im Einsatz ist. Aber es gilt heute als zuverlässig – und ist im Prinzip für alle Straßen tauglich.

Das macht die deutsche Maut zu einem System, das auch exportiert werden könnte – ein lukratives Geschäft für Telekom und Daimler. Dass das bislang nicht gelinge, begründet man auch mit den rechtlichen Probleme im Zuge des Schiedsgerichtsverfahrens.

Gewinnen müsste man aber neben den Verkehrs- auch die Haushaltspolitiker. Denn der Finanzminister hatte dem Verkehrsressort die Maut-Einnahmelücke mit 600 Millionen Euro ausgeglichen. Zumindest diesen Betrag müsse man von Daimler und Telekom zurückholen – das fordert sogar CDU-Fraktionsvize Michael Meister.