Neuer Banken-Crash: PacWest und Western Alliance stürzen ab

In den USA brechen die nächsten Banken ein. Sorge bereiten die Bank-Runs, die offenbar auf breiter Front laufen. Die Kunden scheinen von Panik erfasst. 

Das Logo der First Republic Bank auf einer Zweigestelle in  in Beverly Hills.
Das Logo der First Republic Bank auf einer Zweigestelle in in Beverly Hills.AFP

Zuerst sah jeder Crash aus wie ein Einzelfall: Die Kryptobörse FTX vernichtete Milliarden, weil ihr Gründer die Kundengelder zweckentfremdete. Die Silicon Valley Bank (SVB) und die Signature Bank New York wurden in einer Notfall-Aktion teilweise vom Steuerzahler gerettet. Die Credit Suisse (CS) und nun als jüngster Fall die First Republic Bank aus Kalifornien wurden auf Geheiß von Regierung und Regulierer einem jeweils größeren Player – UBS und JP Morgan Chase – eingegliedert. Die Aktionäre verloren alles, wie US-Präsident Joe Biden ausdrücklich sagte. Im Fall der Credit Suisse haben die Aktionäre bereits den Rechtsweg beschritten, sie wollen sich eine Enteignung nicht gefallen lassen. Allerdings wird genau dieser Weg – der sogenannte Bail-in – seit der Finanzkrise von den Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden bevorzugt.

Am Dienstagmorgen brachen die Aktien von regionalen Banken in den USA erneut ein. Der Handel mit Aktien von PacWest, die als eine der schwächsten mittelgroßen Regionalbanken gilt, wurde wegen Volatilität kurzzeitig ausgesetzt und ging bis zum Vormittag in New York um 35 Prozent nach unten. Die Aktien ging mit einem Minus von 27,8 Prozent aus dem Handel.  Western Alliance verlor 15,1 Prozent und wurde ebenfalls vorübergehend vom Handel ausgesetzt, ähnlich schlecht erging es Zions und Comerica, die zweistellig verloren. Den angeschlagenen Regionalbanken wird attestiert, dass ihre Asset-Struktur Ähnlichkeiten mit der von Frist Republik haben. Ein Index für Regionalbanken schmierte am Dienstag um fünf Prozent ab. Alle Regionalbanken haben eine starke Exposure bei Gewerbeimmobilien. Auch die Kurse der Großbanken, wenngleich nicht so stark wie jene der Regionalbanken.  Goldman, Bank of America und Citigroup verloren 2,5 Prozent. Der Dow Jones rutschte im frühen Handel auf breiter Front ab.  Chris Whalen von Whalen Global Advisors sagte der Financial Times, die Shortseller würden sich nun jede schwache Bank vornehmen, auf der Suche nach dem schwächsten Glied in der Kette. Doch auch die Kunden seien in Sorge um die Sicherheit ihrer Depots. 

Auffallend an der Crash-Kaskade ist der Zeitraum: Innerhalb weniger Wochen fielen Institutionen in sich zusammen, deren Bestand als nicht unmittelbar gefährdet erschien. Der Schweizer CS attestierten sogar die Prüfer und Behörden kurz vor ihrem Exit einen guten Gesundheitszustand. Der Ökonom Jason Furman von der Harvard Kennedy School sieht grundsätzliche Probleme in der Finanzindustrie. Er sagte nach der SVB-Rettung in einem Tweet: „Niemand sollte sich gut fühlen wegen dem, was hier passiert ist. Das System hat versagt.“

Die Zeichen deuten nicht auf Entspannung. Auf der jährlichen Milken-Investorenkonferenz in Beverly Hills sei die Stimmung besorgt, berichtet die Financial Times. Die Investoren sagten übereinstimmend, dass sie mit Folgen rechnen.

Dafür gibt es mehrere Gründe: Das Ende des aktuellen Schuldenzyklus wurde in den vergangenen Jahren durch Null- und Niedrigzinsen künstlich hinausgezögert. Es gibt in der Geschichte kein Vorbild dafür, was passiert, wenn sich nach negativen Zinsen die Lage wieder normalisiert. Die ersten Crashs lassen gewisse Muster erkennen: Es gibt zu viele Kreditnehmer, die höhere Zinsen nicht bedienen können. Dies gilt für Unternehmen wie für Privatpersonen. Die Folge: Faule Kredite führen zu notwendigen Wertberichtigungen bei den Banken. Zugleich verlieren viele Staatsanleihen an Wert.

Nach der SVB-Rettung haben die Regulierer beschlossen, dass Staatsanleihen trotz ihres Verfalls zum Nominalwert weiter als Sicherheiten für neue Kredite für die Banken hinterlegt werden dürfen. Laut Bloomberg liegen die aktuellen Verluste aller US-Banken für diese Papiere bei 600 Milliarden US-Dollar. Die Fiktion mit dem Nominalwert kauft den Banken Zeit – und verschiebt einen großen Crash weiter in die Zukunft.

Ein weiterer Brandbeschleuniger ist die fast zwingend einsetzende Rezession bei einer weiteren Erhöhung der Leitzinsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird den nächsten Schritt am Donnerstag diskutieren. Weil die Inflation im April überraschend wieder gestiegen ist, ist die EZB unter Zugzwang. Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income, erwartet in einer Analyse,  „dass die EZB eher von 50 Basispunkten auf 25 Basispunkte zurückgehen wird, nicht zuletzt, um angesichts der anhaltenden Schwäche des US-Bankensektors vorsichtiger zu sein“.

Bereits jetzt spüren die Unternehmen, dass ihnen ein schärferer Wind ins Gesicht bläst: Wie die EZB am Dienstag bekannt gab, haben die Banken des Währungsraums ihre Kreditstandards im ersten Quartal deutlich verschärft. Die Standards für Unternehmenskredite zogen so deutlich an wie seit der Euro-Krise im Jahr 2011 nicht mehr. Als Hauptgrund nennt die EZB die höhere Risikowahrnehmung der Banken.

Ähnlich ist die Lage für Kredite in den USA, Japan und Großbritannien. Mit den höheren Zinsen und der Kredit-Zurückhaltung der Banken sinkt die Geschäftstätigkeit. Daher verfallen die Preise für Gewerbeimmobilien. In den vergangenen Monaten gab es bereits mehrere prominente Pleiten von Immobilienentwicklern. Die Allianz schätzt in einer Analyse, dass die Werte von US-Gewerbeimmobilien seit der Zinswende um 30 Prozent eingebrochen sind. Weil Immobilienpapiere nach dem Modell der Subprime-Kredite gerne gebündelt werden, um das Risiko zu streuen, kann nicht eindeutig antizipiert werden, wo es das nächste Mal krachen wird.

Sorge bereitet der Finanzindustrie der schleichende Bank-Run der vergangenen Monate. Die Allianz schreibt, dass auch kleine Banken betroffen waren. IWF-Chefin Kristalina Georgieva zeigte sich bei der Milken-Konferenz besorgt, dass heutzutage Bank-Runs wegen des Onlinebankings schlechter zu stoppen seien. Dieser Umstand würde „viele neue Regulierungen“ erfordern“, man müsse „darüber nachdenken, wie wir damit umgehen“. Eine Möglichkeit wären zentralbankgestützte Digitalwährungen (CBDC), wie sie jetzt etwa im Hinblick auf einen digitalen Euro diskutiert werden. Mithilfe der Technologie könnten Zentralbanken dann in die individuellen Zahlungsaktivitäten unmittelbar eingreifen. Auf diese Weise könnten auch Mittel für als dringend erachtete Investments eingezogen werden.

In seinem jährlichen Brief an die Aktionäre schlug Jamie Dimon, CEO von JPMorgan Chase, vor, dass die Regierung der USA und klimabewusste Unternehmen das Privateigentum der Bürger beschlagnahmen sollten, um Initiativen zu ergreifen, solange noch Zeit sei, Klimakatastrophen abzuwenden. Dimon erklärte Anfang April, dass „Regierungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen“ sich möglicherweise auf ihre Notfall-Kompetenzen („eminent domain“) berufen müssen, um „schnell genug angemessene Investitionen für Netz-, Solar-, Wind- und Pipeline-Initiativen“ zu erhalten. „Eminent domain“ ist ein juristischer Begriff, der beschreibt, dass die Regierung ihre Befugnisse nutzt, um Privateigentum für die öffentliche Nutzung zu enteignen, vorausgesetzt, die Regierung stellt privaten Eigentümern eine angemessene Entschädigung zur Verfügung. Um eine solche Notfall-Enteignung auch durchsetzen zu können, kommt den Institutionen aktuell ein Trend zur Konsolidierung entgegen. Nach der CS-Pleite wurde die UBS zur Schweizer Megabank, JP Morgan Chase ist heute schon die größte nicht chinesische Bank der Welt. Außergewöhnliche Maßnahmen sind im Übrigen immer angesagt, wenn ein Schuldenzyklus endet: Die Verluste werden auf die Sparer abgewälzt, traditionell entweder langsam durch Inflation, schrittweise durch Vermögensabgaben oder abrupt durch eine Währungsreform. Jede dieser Spielarten kann digital effizient umgesetzt werden.