Nord-Stream-Debatte im Bundestag: Wo sitzt der Feind?

Zu den Anschlägen auf Nord Stream gab es am Freitag eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Es wurden verschiedene Vermutungen geäußert, wo der Feind sitzen könnte. 

Nord Stream nach dem Anschlag 
Nord Stream nach dem Anschlag Cover-Images/Imago

In einer Aktuellen Stunde hat der Bundestag am Freitagnachmittag den Stand der Aufklärung der Anschläge gegen die Nord-Stream-Pipelines diskutiert. Die Opposition bezog sich in ihrer Argumentation auf den jüngsten Artikel des amerikanischen Journalisten Seymour Hersh, wonach die amerikanischen Regierung gemeinsam mit Norwegen hinter den Anschlägen stecken sollen. Sowohl das Weiße Haus als auch die CIA sowie das norwegische Außenministerium hatten den Bericht scharf zurückgewiesen.

Die Regierungsparteien begegneten den Vorhaltungen der Oppositionsredner von Links-Partei und AfD übereinstimmend auf denselben Ebenen: Sie stellten Hershs journalistische Glaubwürdigkeit in Frage; betonten, dass es aus Sicherheitsgründen besser sei, der Öffentlichkeit wenig zu sagen; sagten, dass Russland der Aggressor sei und stellten schließlich neue vertrauliche Gremien in Aussicht, um die kritische Infrastruktur in Deutschland besser schützen zu können. Sebastian Fiedler (SPD) sagte, die Bundesregierung solle über die Wiedererrichtung einer „Schutzkommission“ nachdenken. Ein Gremium aus Wissenschaftlern sollte laufend Gefahren beobachten und dies ohne Öffentlichkeit tun, um besser schützen zu können. Fiedler sagte im Hinblick auf die Ermittlungen zu Nord Stream, dass der die Bevölkerung bestimmte Details nicht bekanntgegeben werden sollten, damit die „Feinde der Demokratie“ diese Details ebenfalls nicht erfahren. Als Feind der Demokratie nannte er die AfD.

Ann-Veruschka Jurisch (FDP) forderte die Gründung eines „Nationalen Sicherheitsrats“, der als „übergeordnetes Frühwarnsystem“ tätig werden solle. Sie sagte, die Haupt-Bedrohung der deutschen Infrastruktur sei die zu große „Abhängigkeit von Russland“ gewesen: „Nord Stream 2 hätte nie gebaut werden dürfen.“ Für die FDP sagte Leon Eckert, dass die Zuständigkeiten geklärt werden müssten, weil aktuell bei Schäden durch Naturkatastrophen die Länder, bei Sabotage jedoch der Bund zuständig sei. Konstantin Kuhle von der FDP sagte, die Urheber der Zerstörung von kritischer Infrastruktur in Europa seien bekannt: Russland zerstöre in der Ukraine Infrastruktur und verschleiere nicht einmal mehr sein Ziel, nämlich die „Vernichtung der Ukraine“. Kuhle sagte weiter, Russland versuche die Demokratie in Europa zu zersetzen, indem Moskau „gezielte Kontakte zu Fürsprechern“ in den Institutionen suchen, „sie sitzen an den Rändern“, sagte Kuhle, deutete auf Linke und AfD, und sagte, man müsse sich vor den „Feinden der Demokratie in unserem Haus“ schützen.

Die Abgeordnete Canan Bayram von den Grünen äußerte sich zurückhaltend zum Hersh-Artikel und sagte: „Wir können den Wahrheitsgehalt der Geschichte nicht beurteilen.“ Sie warnte vor vorschnellen Urteilen. Philipp Amthor (CDU) äußerte sich besonders abfällig und diffamierend über Seymour Hersh. Er sprach vom „Blogbeitrag“ eines „85-Jährigen, der vor 50 Jahren einen Journalistenpreis erhalten hat“. Der AfD-Mann Tino Chrupalla sagte, das Schweigen der Regierung zu den Anschlägen „nährt Gerüchte und Verschwörungstheorien“.

Sevim Dagdelen von der Linken sagte, Hersh habe in seiner Laufbahn den Unterschied von Journalismus und Regierungsverlautbarungen deutlich gemacht. Sie sagte der Berliner Zeitung: „Es ist erschreckend, wie der US-Reporter Seymour Hersh für seine Recherche über die Terroranschläge auf Nord Stream diffamiert und zur Offenlegung seiner Quelle gedrängt wird. Es gehört zum journalistischen Einmaleins, Informanten zu schützen.“ Sie forderte eine „internationale Untersuchung unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen“. Sie sagte: „Trotz der Enthüllungen von Hersh scheint es der Bundesregierung weiter an einem wirklichen Aufklärungswillen zu mangeln.“

Der Abgeordnete Jürgen Hardt von der CDU sagte in der Aktuellen Stunde, er sei stolz, dass alle Redner seiner Fraktion Mitglieder der Atlantikbrücke e.V. seien, denn er könne sich nicht erinnern, dass die Amerikaner jemals etwas Schlechtes gemacht hätten. Die Zerstörung einer Pipeline sei vor einigen Jahren nicht vorstellbar gewesen. Er bat um kurz vor 16 Uhr unter dem Gelächter seiner Fraktion um Schließung der Debatte, da er seinen Zug nach Wuppertal erreichen müsse.