Ökonom: Das ist der Unterschied zwischen ukrainischen und russischen Oligarchen

Der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg wäre eine Herausforderung, sagt der Ökonom Alexander Libman. Man müsste das Oligarchen-Problem lösen.

Der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow (l.) und der Geschäftsmann Vadim Novinsky (r.) bei einer Konferenz im Asow-Stahlwerk in Mariupol.
Der ukrainische Oligarch Rinat Achmetow (l.) und der Geschäftsmann Vadim Novinsky (r.) bei einer Konferenz im Asow-Stahlwerk in Mariupol.SYSTEM CAPITAL MANAGEMENT

Der Frieden in der Ukraine ist zwar noch nicht absehbar. Doch die Wirtschaftsexperten schmieden bereits Pläne, wie der Wiederaufbau des Landes aussehen würde. Und sie diskutieren, ob die vom Westen eingefrorenen Finanzvermögen des russischen Staates und der russischen Oligarchen in die Infrastruktur der Ukraine gelenkt werden sollten. Der Ökonom, Osteuropa-Experte und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Alexander Libman von der Freien Universität Berlin verweist in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung auf einige Probleme der ukrainischen Wirtschaft, die solche Pläne verlangsamen könnten: etwa die sehr hohe Korruption und die Macht-Strukturen ukrainischer Oligarchen, die in dem Land kurz vor dem Krieg sehr präsent gewesen seien – aber auf eine etwas andere Art und Weise als in Russland.

„Mehrere Wirtschaftssektoren werden von Oligarchen kontrolliert“

Sowohl die rus­si­schen als auch die ukrai­ni­schen Olig­ar­chen bauten ihre Geschäftsimperien noch in den 1990er-Jahren mit der Pri­va­ti­sie­rung staat­li­cher Ver­mö­gens­werte auf. „Der Reichtum der russischen Oligarchen hat aber eine sehr starke Rohstoff-Fokussierung“, erklärt Libman der Berliner Zeitung. „In der Ukraine gibt es mehrere Wirtschaftssektoren, die von Oligarchen kontrolliert werden. Ex-Präsident Petro Poroschenko hatte zum Beispiel den Beinamen des Schokoladenkönigs, weil er sein Vermögen in der Süßwarenindustrie machte.“

Selbst Abgeordnete seiner Partei Europäische Solidarität warfen Poroschenko vor, als er noch Präsident war, die Oligarchen-Herrschaft zu zementieren und sich bei der Modernisierung der ukrainischen Armee zu bereichern. Poroschenko wurde in der Ukraine eigentlich lange wegen Hochverrat und Amtsmissbrauch beschuldigt, wurde aber nach seiner Rückkehr in die Ukraine nicht festgenommen.

Es geht allerdings nicht nur um Poroschenko. Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurden im Wahlkampf Verbindungen zum Oligarchen Ihor Kolomojskyj, dem ehemaligen Hauptgesellschafter der verstaatlichten Privatbank und Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk, nachgesagt (er ist nun Besitzer des privaten Fernsehsenders 1+1). Nach seiner Wahl distanzierte sich Selenskyj öffentlich von dem berüchtigten Oligarchen.

Rinat Achmetow, der Eigentümer der Metinvest-Gruppe, zu der auch das Asow-Stahlwerk im umkämpften Mariupol gehört, aber auch die Milliardäre Wiktor Pintschuk, Borys Kolesnikow, Wasily Khmelnytsky und Igor Abramowitsch, die das Land schon vor der russischen Invasion verlassen hatten, kontrollieren die Metallurgie, die Lebensmittel- und Agroindustrie und die Medien.

„Die ukrainische Wirtschaft ist so aufgebaut, dass die meisten Investitionen im Land auf die oder andere Weise wegen der korrupten Beamten und der ineffizienten Verwaltung nicht sicher sind“, urteilt Libman. Es könne aber passieren, dass die Ukraine durch eine patriotische Mobilisierung die Chance bekomme, die Korruption abzubauen.

Nach einem Kriegsende würde es also in der Ukraine sehr große und mit dem Staat auf die oder andere Weise verbundene Gruppen geben. „Wenn aus der EU dann viel Geld in die Ukraine hereinkommt, würden diese Gruppen um dieses Geld kämpfen. Und am Ende würde das Geld einfach von ihnen benutzt werden für ihre eigenen Interessen.“ Dann würde die Ukraine dauerhaft zu einem Problemfall werden, warnt Libman, wie es teilweise heute bei einigen südosteuropäischen Staaten zu beobachten sei, sagt der Experte abschließend.