Ost-West-Vergleich: Lohnangleich von Ost und West noch nicht vollendet

Berlin - Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – auf dem Papier hat sich diese Forderung 25 Jahre nach der Wiedervereinigung in vielen Wirtschaftszweigen erfüllt. Die Tarifentgelte für Beschäftigte von Banken und Versicherungen, im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen, in der Druckindustrie, im Einzelhandel, bei der Deutschen Bahn und in der Eisen- und Stahlbranche liegen in Ost und West mittlerweile gleichauf. Auch in der Süßwarenherstellung und in chemischen Betrieben, im Bauhauptgewerbe und Großhandel sowie in der Kautschuk - und Metallindustrie erreichen die Löhne im Osten inzwischen 92 bis 98 Prozent des Westniveaus.

Angleichung auf dem Papier geglückt

Und selbst wenn es Bereiche gibt wie die Landwirtschaft, das Gastgewerbe oder KFZ-Betriebe, in denen die Ost-Tarife noch immer rund 20 Prozent unter den West-Löhnen bleiben, so kann man doch feststellen: Alles in allem ist die deutsch-deutsche Angleichung der Tariflandschaft weitgehend abgeschlossen. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung nennt hierzu eine Zahl: Im Schnitt liegen die Tariflöhne in den östlichen Ländern mittlerweile auf 97 Prozent des West-Niveaus. Gestartet war man zwischen Ostsee und Erzgebirge 1991 bei 60 Prozent. So was nennt man einen gelungen Aufholprozess.

Eine Aufholjagd nach Schneckenart

Aber er steht, wie angedeutet, nur auf dem Papier, auf dem Tarifverträge gedruckt sind. Er gilt nicht für die tatsächlich in weiten Bereichen des Ostens gezahlten Entgelte. Laut WSI erreichten die effektiven Bruttolöhne im Osten im vergangenen Jahr nur 83 Prozent der Effektiv-Entgelte im Westen. Dieser Wert ist seit 2009 unverändert. Faktisch ist die reallohnbezogene Annäherung bereits seit 20 Jahren fast zum Stillstand gekommen. Denn bereits 1995 erhielten Beschäftigte im Osten effektiv 79 Prozent der Westlöhne. Seither näherte man sich also um gerade vier weitere Prozentpunkte an: eine Aufholjagd nach Schneckenart.

Dass die Entwicklung der Tariflöhne und der tatsächlich gezahlten Effektivlöhne so unterschiedlich verlief, hat mit der schwachen Tarifbindung der ostdeutschen Wirtschaft zu tun. Mittlerweile arbeiten nur noch 47 Prozent der Beschäftigten im Osten in tarifgebundenen Betrieben, 1998 waren es noch 63 Prozent gewesen. Zwar nahm die Tarifbindung im Westen ebenfalls ab, allerdings auf deutlich höherem Niveau: Dort werden derzeit 60 Prozent der Beschäftigen nach einem Tarifvertrag bezahlt, gegenüber 76 Prozent im Jahr 1998.

Unterschiede bei Arbeitszeit und Urlaubstagen

Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber auch im Tarifvertragsbereich noch bemerkenswerte Unterschiede. Die durchschnittliche tarifliche Wochenarbeitszeit lag 1991 im Osten bei 40,2 Stunden und sank bis 2014 auf 38,7 Stunden. Die Vergleichswerte für den Westen liegen mit 38,1 und 37,5 Stunden spürbar darunter. Zugleich gibt es im Westen mit 28,8 Tagen einen um durchschnittlich einen Tag längeren Urlaub. Auch die Vereinbarungen zur Höhe des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes weichen laut WSI in manchen Branchen voneinander ab.

Auf der anderen Seite klafft die wirtschaftliche Produktivität ebenfalls noch weit auseinander. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts Dresden erreichte das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Osten 2013 erst zwei Drittel des Westniveaus. Dies ist allerdings weniger auf die Arbeitnehmer zurück zu führen, als eine Folge der Abwanderung und der starken Überalterung der ostdeutschen Bevölkerung. So oder so: Für die kommenden 25 Jahre bleibt noch einiges zu tun.