Habecks Verbot von Öl- und Gasheizungen: Umweltökonom legt die Rechnung vor
Laut dem Umweltökonomen Manuel Frondel würde ein Verbot von Öl- und Gasheizungen Deutschland wohl eine Billion Euro kosten. Wie kommt er darauf? Ein Gespräch.

Die Bild-Zeitung hat neulich die Verbraucher alarmiert, dass „Habecks Wohn-Hammer“, also das geplante allmähliche Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024, Deutschland 1000 Milliarden Euro, oder eine Billion, kosten würde.
In einem Satz wurde dabei der Ökonom Manuel Frondel vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen zitiert. Was bedeutet aber diese Zahl? Eine Nachfrage der Berliner Zeitung beim Institut zeigte, dass sie aus einem Hintergrundgespräch stammte und in dieser Form nicht zur Veröffentlichung gedacht war.
Da seine Schätzung der Öffentlichkeit sowieso schon bekannt ist, haben wir mit Prof. Dr. Manuel Frondel (58) über deren Hintergründe gesprochen.
Herr Frondel, worauf basiert Ihre Einschätzung bzw. wie sind Sie auf eine Billion Euro gekommen?
Das ist eine sehr grobe Überschlagung der Bruttokosten. Diese Bruttorechnung basiert darauf, dass man die rund 19 Millionen Öl- und Erdgasheizungen, die es in Deutschland noch offiziell gibt, nach dem Plan von Robert Habeck bis 2045 früher oder später zugunsten einer Alternative ersetzen muss, die Wärme aus mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien herstellt. Wenn all diese Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzt würden und dabei im Altbau noch Kosten für zusätzliche Dämmung entstehen, kommt man auf diese Obergrenze von einer Billion Euro.
Ein massenhafter Umstieg auf die Wärmepumpen wäre tatsächlich sehr teuer. Mit Wärmedämmungs- und Einbau-Maßnahmen landet man locker bei rund 50.000 Euro Kosten für ein Zweifamilienhaus im Altbau, wenn man sich für eine gute Erdwärmepumpe entscheidet.
Die Verbraucherzentralen betonen, dass die Wärmepumpen zwar eine reale Alternative für Ein- oder maximal Zweifamilienhäuser seien, aber nicht für mehrstöckige Mehrfamilienhäuser. Wäre hier eher die Fernwärme gefragt?
Fernwärme kann nicht unbegrenzt ausgebaut werden, da hängt vieles von den örtlichen Gegebenheiten ab. Wie gesagt, ich wollte eine Obergrenze für die Kosten ausrechnen, die im Laufe der Zeit entstehen. Wenn es für neue Öl- und Gasheizungen bis 2045 kein Verbot gäbe, könnte man eine neue Öl- oder Gasheizung für deutlich weniger als die Hälfte des Geldes für eine Wärmepumpe noch einbauen. Aber die Gasheizungen, die künftig eine Betriebszeit von maximal 30 Jahren haben sollen, dürfen ja nur gegen alternative Heizgeräte ersetzt werden.
Die Kosten, die ohnehin anfallen, weil die Heizungen irgendwann mal kaputt gehen und ohne Verbot durch eine konventionelle Öl- oder Gasheizung ersetzt werden würden, müsste man allerdings abziehen. Dann kann man grob sagen, dass die Nettokosten ungefähr halb so hoch wären, also 500 Milliarden Euro. Oder anders formuliert: Ein Umstieg auf alternative Heizungen wäre grob doppelt so teuer wie ein notwendiger Austausch der maroden Öl- und Gasheizungen im Laufe der Zeit.
Es wird in Aussicht gestellt, dass der Staat diesen Umstieg teilweise subventionieren könnte. Den Großteil dieser Kosten müssten aber die Haushalte selbst tragen?
Wichtig waren für meine grobe Einschätzung die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten. Wer letztendlich die Kosten trägt bzw. ob es die Haushalte sind oder der Staat und am Ende doch der Steuerzahler einen Teil dieser Kosten übernimmt, ist noch vollkommen unklar. Dazu hat sich die Politik bisher nicht konkret geäußert.
Sollte Wirtschaftsminister Habeck also vorerst auf diese Frage zu den volkswirtschaftlichen Kosten eingehen, um seinen Gesetzentwurf der Bevölkerung überhaupt verkaufen zu können?
Die Bevölkerung hat auf jeden Fall ein Recht darauf, dass die Kosten transparent offengelegt werden, bevor so eine Zwangsmaßnahme beschlossen wird. Was ich nur grob überschlagen habe, muss wirklich ganz fein berechnet werden. Der zweite Punkt ist die Frage: Warum ist plötzlich so ein Zeitdruck da? Warum dürfte man schon ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen einbauen? Dieser Zeitdruck macht die Sache noch mal besonders teuer, weil es im Moment eben einen Mangel an Wärmepumpen gibt. Man muss bei einer Bestellung sehr lange warten, weil die Produktion kaum der Nachfrage hinterherkommt.
Welche Einschränkungen gibt es sonst?
Auch die Handwerker sind knapp, besonders die Handwerker, die das Know-how für den Einbau von Wärmepumpen besitzen. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis dieser Mangel beseitigt sein dürfte. Allein deswegen würde ich beim Verbot erst einmal auf die Bremse treten.
Zudem sind die Wärmepumpen eigentlich eine konventionelle Technologie. Die ist nur dann als regenerativ zu bezeichnen, wenn der Strom für die Wärmepumpe zu 100 Prozent grün ist. Das ist derzeit nicht der Fall. Der Anteil von erneuerbaren Energien am deutschen Strommix liegt derzeit bei rund 50 Prozent, und das wird sich bis zum nächsten Jahr kaum ändern. Wenn bereits 2024 die 65-Prozent-Quote für erneuerbare Energien gelten würde, dann werden Wärmepumpen erst mal auch diese Quote gar nicht einhalten können. Allein aus diesem Grund sollte man noch ein paar Jahre warten, bis man tatsächlich einen Strommix hat, der 65 Prozent grünen Strom aufweist.
Es gibt also viele Gründe, warum man gerade nicht besonders auf die Tube drücken sollte. Häufig wird, um die Schnelligkeit zu rechtfertigen, auch gesagt, dass der Erdgaspreis derzeit hoch sei. Es stimmt aber nicht: Der Gaspreis ist zumindest jetzt wieder auf das Vorkrisenniveau gefallen. Also habe ich das Gefühl, dass die Politik die Gunst der Stunde, sprich die Krisensituation, nutzen möchte, um möglichst schnell Nägel mit Köpfen zu machen.
Auch die Hälfte der Fernwärme besteht im Moment aus Gas, ist also keineswegs zu 65 Prozent klimaneutral. Sehen Sie darin auch ein Hindernis für die Pläne von Robert Habeck?
Das kommt noch hinzu. Die Fernwärme hat derzeit einen Anteil am Wärmemarkt von rund 15 Prozent. Um diesen Anteil deutlich zu steigern, muss man erst mal entsprechende Fernwärme-Netze verlegen. Dazu ist die Fernwärme oftmals alles andere als grün: Bei uns zum Beispiel kommt sie aus dem Kohlekraftwerk Mannheim. Und das ist noch in vielen Fernwärme-Netzen der Fall.
Es stellt sich auch die Frage, warum schon jetzt aus den Gasheizungen aussteigen, wenn das Wirtschaftsministerium von Habeck bis zu elf LNG-Terminals an der Nordsee- und Ostseeküste bauen lässt. Oder hat die Industrie den größten Anteil am deutschen Gasverbrauch?
Die Haushalte haben einen ähnlich großen Gasverbrauch wie die Industrie. Und genau deswegen passt das geplante Verbot von Gasheizungen nicht mit den LNG-Ausbauplänen zusammen. Ich sehe den Ausbau von LNG-Terminals zwar als eine vernünftige Versicherungslösung, sodass man nie mehr eine Situation wie vergangenes Jahr erleiden muss, als man mit Russland von einem einzigen Anbieter weitgehend abhängig war. Diese Versicherungslösung habe ich schon vor über zehn Jahren vorgeschlagen: Man hätte in Wilhelmshaven einen LNG-Hub teils auch mit staatlichen Mitteln bauen sollen.
Jetzt wird der Bau solcher LNG-Hubs erst in der Krisensituation endlich umgesetzt. Aber die große Zahl an LNG-Hubs ist in meinen Augen nicht ganz konsistent mit den Plänen, Erdgas-Heizungen verbieten zu wollen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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