Noch klingt es wie ein Alleingang eines ukrainischen Rada-Abgeordneten, doch später im Herbst könnte er mit dem steigenden Gasverbrauch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Der populäre Rada-Abgeordnete Dmytro Rasumkow (38) hat in einem Video-Interview vorgeschlagen: die Ukraine sollte dieses Gas „konfiszieren“.
„Das Gas, das durch das Territorium der Ukraine transportiert wird, ist zwar russisch. Bis zur europäischen Grenze ist das russisches Gas. Und was müssen wir rechtlich gesehen damit machen? Wir können es konfiszieren. Und wir müssen uns wirklich überlegen: Müssten wir uns an das Gesetz halten und russisches Gas wegnehmen, mit dem Moskau seine Armee finanziert? Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Beschlagnahme von russischem Eigentum unsere gesetzliche Pflicht ist“, so Rasumkow mit Blick auf das März 2022 beschlossene Gesetz zur Verstaatlichung des russischen Eigentums in der Ukraine. Der heutige Rada-Abgeordneter war bis 2019 der Parteivorsitzende der heute regierenden Partei „Sluha narodu“ (Diener des Volkes) und bis 2021 der Vorsitzende der Werchowna Rada. Er genießt nach wie vor große Popularität im Land.
Rasumkow: „Die Ukraine wird weiterhin Gas nach Europa liefern“
Rasumkow fügte zu dem Gesagten allerdings hinzu: die Ukraine werde weiterhin Gas nach Europa liefern und ihren Verpflichtungen nachkommen, aber das sei das Eine. Das Andere sei, dass der Gas-Überschuss in ukrainische Gasspeicher gehen solle, so der Politiker. Über diese Idee werde sich die Ukraine mit Beginn der Heizperiode noch unterhalten, prognostizierte er.
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Mittlerweile liefert der russische Staatskonzern Gazprom rund 42 Millionen Kubikmeter Gas täglich über die Ukraine nach Europa, und zwar nur über die Gasmessstation Sudzha in der Nähe der Stadt Sumy. Über die Gasmessstation Sokhranivka in der Ostukraine kommt dabei seit Mitte Mai kein Gas mehr über die Ukraine nach Europa. Die Ukraine verweigert Gazprom die Transitkapazitäten und erklärt das mit der höherer Gewalt aufgrund der Besetzung der Territorien durch Russland. Gazprom weigert sich seinerseits, die Liefermengen über Sudzha zu erhöhen.
Die vom Gazprom vertraglich maximal zugesicherte Gasmenge über die Ukraine nach Europa beläuft sich dabei auf 108 Millionen Kubikmeter täglich. Noch im April, mitten im Krieg, wurden diese Mengen auch ordentlich von Russland geliefert. Seitdem bekommen die Slowakei, Österreich und Deutschland deutlich weniger russisches Gas über die Ukraine. Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage: Von welchem Gas-Überschuss, den Rasumkow in die ukrainischen Speicher weiterleiten will, kann bei den gedrosselten Lieferungen die Rede sein?
Die Ukraine kauft seit 2015 zwar kein eigenes Gas aus Russland, verbraucht jedoch seit September 2020 russisches Transitgas aus den eigenen Rohren, um es physisch nicht aus einem EU-Importland zurückholen zu müssen. Die Zahlungen gehen dabei etwa an die Slowakei. Möchte die Ukraine künftig mehr russisches Gas behalten wollen, heißt es wohl nur eins: die europäischen Nachbarn werden noch weniger davon bekommen.