Zahlungsausfall: Kann sich der Westen Russlands Vermögen schnappen?
Russland ist in Zahlungsverzug, weil westliche Banken wegen der Sanktionen keine Zahlungen annehmen. Der Westen könnte nun nach dem russischen Vermögen greifen.

Russland und der Westen streiten über die Frage, ob das Land einen Zahlungsausfall zu melden hat. In der Nacht auf Montag lief eine 30-Tage-Frist aus, innerhalb welcher fällige Zinsen auf zwei Staatsanleihen zu zahlen waren. Es geht um insgesamt rund 100 Millionen US-Dollar (94,7 Millionen Euro). Die Zahlungen wären in Dollar oder Euro zu leisten gewesen. Weil aber wegen der Sanktionen westliche Banken keine Zahlungen von Russland annehmen dürfen, hatte Russland die Beträge in Rubel auf ein Treuhandkonto überwiesen. Kremlsprecher Dimitri Peskow sagte am Montag laut Interfax, die Zahlung sei bereits im Mai erfolgt. Dass die Mittel vom Clearinghaus Euroclear wegen der Sanktionen blockiert worden wären, sei „nicht unser Problem“, so Peskow.
Die Überweisung auf ein Treuhandkonto ist allerdings nicht der Weg, über den Investoren ihre Zahlungen erwarten: Sie wollen über ihr Geld verfügen können und sind mit dem Hinweis auf ein für sie unerreichbares Treuhandkonto nicht zu befriedigen. Mit der Entscheidung der US-Finanzbehörde OFAC im Mai, alle russischen Zahlungen zu blockieren, ist aus Sicht von Investoren der Zahlungsausfall eingetreten, so Dennis Hranitzky von der auf Staatsanleihen spezialisierten Kanzlei Quinn Emanuel laut Reuters. Setzt sich diese Auffassung durch, wäre dies der erste Zahlungsausfall Russlands auf Auslandsschulden seit dem Jahr 1918. Der Zahlungsausfall aus dem Jahr 1998 bezog sich auf von Inländern gehaltene Schuldtitel.
Vom russischen Finanzministerium hieß es am Montag: „Im vorliegenden Fall haben die Investoren ihr Geld nicht wegen eines Zahlungsausfalls nicht erhalten, sondern wegen Handlungen Dritter. Dies wird im Anleiheprospekt aber nicht als Default gewertet und sollte im Rahmen der allgemeinen Rechtsnormen unter Berücksichtigung aller Umstände und der Redlichkeit der Handlungen der Seiten betrachtet werden.“ Eine Klärung des Falls wird nur in einem Rechtsstreit herbeizuführen sein.
Im Fall von Staatspleiten kam es bisher häufig vor, dass Gläubiger Assets der Pleite-Staaten beschlagnahmen ließen, wie etwa in Argentinien: Dort schnappten sich der Hedgefonds Elliot Capital Management kurzerhand ein Marineschiff der Argentinier samt Besatzung. Das ist im Fall der russischen Armee nicht zu erwarten, zumal sie zu großen Teilen unter Waffen steht. Allerdings könnte der Westen Teile des eingefrorenen russischen Staatsvermögens verwenden, um die Gläubiger zu befriedigen. Dies wäre „glatter Diebstahl“, sagte Kremlsprecher Peskow. (mit dpa)