Schlichtung mit der GDL: Warum die Einigung im Bahnstreit ein Triumph für Claus Weselsky ist
Berlin - Bodo Ramelow und Mathias Platzeck haben geschafft, was im Bahn-Tarifkonflikt fast unmöglich schien. Nach neun Streikrunden und einem Jahr harter Auseinandersetzungen haben die beiden Schlichter erreicht, dass sich der Schienenkonzern und die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) auf ein umfängliches Tarifwerk für das fahrende Personal verständigt haben. Bahnfahrer müssen nicht mehr mit Streiks rechnen. Wir erläutern, warum die Einigung vor allem ein Triumph für GDL-Chef Claus Weselsky ist.
Was umfasst die Einigung?
In fünf Wochen haben die beiden Schlichter mit der Bahn und der GDL sage und schreibe 14 Tarifverträge und zwei zusätzliche Vereinbarungen abgeschlossen. Die Verträge haben einen Umfang von 450 Seiten.
Was sind die zentralen Punkte?
Es gibt für das fahrende Personal der DB mehr Geld, nämlich vom 1. Juli an 3,5 Prozent. Weitere 1,6 Prozent kommen vom 1. Mai 2016 hinzu. Es gibt umfangreiche Regelungen, die die Arbeitsbelastungen der Beschäftigten reduzieren sollen. So wird die Zahl der zulässigen Überstunden auf 80 pro Jahr begrenzt. Die Arbeitszeit wird von 2018 an um eine Stunde auf 38 Stunden pro Woche reduziert. Bis Ende 2017 soll alleine bei den Lokführern eine Million Überstunden von insgesamt drei Millionen abgebaut werden. Um als dies zu schaffen, verpflichtet sich die Bahn, 300 Lokführer und 100 Zugbegleiter zusätzlich einzustellen.
Worin liegt der Triumph für die GDL und ihren Vorsitzenden Claus Weselsky?
Die Gewerkschaft hat durchgesetzt, dass sie für alle Berufsgruppen unter ihren Mitgliedern – also neben Lokführern auch für Zugbegleiter, die Mitarbeiter der Bordgastronomie und auch für Lokrangierrangierführer - überhaupt die Tarifverträge abschließen darf. Das war einer der Hauptstreitpunkte in der einjährigen Auseinandersetzung. Nun haben GDL und Bahn einen sogenannten Bundesrahmentarifvertrag Zug abgeschlossen, der für das gesamte Zugpersonal gilt.
Inwiefern hängt die Einigung mit dem Tarifeinheitsgesetz zusammen?
Während der Auseinandersetzung wurde immer wieder spekuliert, dass die Bahn den Konflikt so lange herauszögern will, bis das Tarifeinheitsgesetz verabschiedet ist. Das hätte dann möglicherweise bedeutet, dass die GDL mit ihrer Forderung scheitert, auch für Zugbegleiter und Rangierlokführer unter ihren Mitgliedern Tarifverträge auszuhandeln – bislang kümmerte sich um diese Berufsgruppe ausschließlich die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Mit dem Gesetz ist die Bestimmung geplant, dass bei konkurrierenden Vereinbarungen für eine Berufsgruppe, der Vertrag gilt, der sich auf die größere Zahl von Beschäftigten bezieht. Und bei den Zugbegleitern hat die EVG mehr Mitglieder. Nun haben Bahn und Lokführergewerkschaft beschlossen, dass mögliche Regelungen eines Tarifeinheitsgesetzes bis 2020 nicht zur Anwendung kommen. Das bedeutet in den Tarifrunden, die 2016 für die Bezahlung und 2018 für die Arbeitszeitregelungen anstehen, kann die GDL völlig autonom verhandeln und auch bei Zugbegleitern und Rangierlokführern Ergebnisse erzielen, die von Regelungen der EVG abweichen können. Dies ist zumindest auf Zeit zunächst einmal ein Machtgewinn für die GDL. Denn sie kann mittels der Lokführer, die mit Streiks den Zugverkehr schnell lahmlegen können, auch für Zugbegleiter viel durchsetzen.
Wird es wieder so heftige Streiks wie in den vergangenen Monaten geben?
Mutmaßlich nicht. Denn in der bis 2020 geltenden Vereinbarung ist auch festgehalten, dass künftig bei Tarifkonflikten jeder der Kontrahenten einseitig ein Schlichtungsverfahren einleiten kann. Das war bislang nicht möglich. Hätte es diese Möglichkeit bereits gegeben, wäre die Auseinandersetzung vermutlich schon früher beendet worden.