Berlin - Um einen Apotheker so richtig auf die Palme zu bringen, muss man nur die Zulässigkeit von „Rx-Boni“ fordern – zu Deutsch: Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente. Sie sind in Deutschland verboten, da hierzulande alle rezeptpflichtigen Arzneimittel ähnlich wie Bücher einer Preisbindung unterliegen. Am Donnerstag wird sich jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dieser für Apotheker komfortablen Regelung in mündlicher Verhandlung beschäftigen. Der Ausgang des Verfahrens wird in der Branche mit Spannung erwartet, schließlich könnte der Spruch aus Luxemburg die in Deutschland übliche Preisregulierung durcheinanderwirbeln.
Der Streit dauerte lange, doch eigentlich galt das Thema als abgehakt: 2007 hatte eine Apothekerin aus Darmstadt gegen eine niederländische Versandapotheke geklagt, die deutschen Patienten bei rezeptpflichtigen Medikamenten Boni zum Beispiel in Form einer verringerten Zuzahlung einräumte. Sie sah dagegen einen Verstoß gegen deutsche Vorschriften. Die Versandapotheke machte dagegen geltend, für sie gelte die deutsche Preisverordnung nicht. Die Frage wurde anschließend von mehreren obersten deutschen Gerichten unterschiedlich entschieden: Das Bundessozialgericht folgte den Argumenten der Versandapotheke, der Bundesgerichtshof sah dies anders.
Gesetzliche Klarstellung
Deshalb entschied am Ende der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe, der immer dann zusammen tritt, wenn sich zwei der Gerichte uneins sind. Er kam zu dem Schluss, dass die deutschen Preisvorschriften auch dann gelten, wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel von einer Versandapotheke mit Sitz in einem anderen EU-Land an Kunden in Deutschland geliefert werden. Damit wurde zugleich eine gesetzliche Klarstellung der damaligen schwarz-gelben Koalition bestätigt.
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Seitdem steht fest: Nachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente sind illegal, egal, wer sie anbieten will.
Ausländische Versandapotheken wie das niederländische Unternehmen DocMorris wollten eigentlich erreichen, dass sich der EuGH mit der Angelegenheit beschäftigt. Denn dort sehen sie für ihr Anliegen größere Chancen, schließlich gilt in der EU die Freiheit des Warenverkehrs, die durch die Preisbindung beeinträchtigt werde. Doch der Gemeinsame Senat sah für die Überweisung keinen Grund. Das Thema ist nun aber durch einen anderen Fall beim EuGH gelandet: Die deutsche Wettbewerbszentrale hatte die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) wegen einer Kooperation mit DocMorris verklagt. DPV-Mitglieder sollten bei der Bestellung bestimmter Präparate bei DocMorris einen Rabatt bekommen. Das mit diesem Fall beschäftigte Oberlandesgericht Düsseldorf legte die Angelegenheit schließlich dem EuGH vor.
Koalition betrachtet Boni als Gefahr
Die Positionen der Politik sind eindeutig: Die große Koalition betrachtet die Boni als Gefahr für die Vor-Ort-Apotheken und befürchtet andernfalls Versorgungsengpässe. Die EU-Kommission hält das für übertrieben und plädiert für mehr Preiswettbewerb. Wie das Verfahren ausgeht, ist völlig offen. Doch klar ist: Eine sichere Arzneimittelversorgung ist ein hohes Gut. Es kann aber nicht sein, dass sie als Totschlagargument gegen jegliche Form des Wettbewerbs herhalten muss.