Teldafax: Eine halbe Million geschädigter Kunden
Bonn - Jahrelang hatten sich die Manager an der Spitze des Energieversorgers Teldafax als beste Freunde gezeigt – doch schon im Überlebenskampf der Firma hatte der Zusammenhalt arg gelitten. Munter versuchten die Vorstände Klaus Bath und Gernot Koch, sich gegenseitig die Verantwortung für die Fehler zuzuschieben. Oder sie fanden Firmengründer Michael Josten als Schuldigen – besonders praktisch, da letzterer damals praktisch aus der Öffentlichkeit abgetaucht war.
Seit Dienstag versucht nun das Bonner Landgericht, Licht in eine der größten Pleiten der deutschen Wirtschaftsgeschichte zu bringen. Und auch hier bröckelt die früher geschlossene Phalanx der Teldafax-Granden. Wie der Vorsitzende Richter Eugen Schwill mitteilte, hat es mit einem der drei Angeklagten im Vorfeld der Verhandlung Gespräche über eine sogenannte Verständigung gegeben.
Den ehemaligen Vorständen der Firmengruppe wirft die Staatsanwaltschaft Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigen Betrug in 241 Fällen und Bankrott in vier Fällen vor. Obwohl das Unternehmen laut Anklage spätestens ab Mitte 2009 zahlungsunfähig und überschuldet war, wurde der Insolvenzantrag erst am 14. Juni 2011 gestellt.
Die Folge: Hunderttausenden Kunden und Geschäftspartnern sollen Schäden von insgesamt rund 500 Millionen Euro entstanden sein, schätzt der Insolvenzverwalter – weil Billigstrom gegen Vorkasse verkauft wurde. Verhandelt wird nur über Schäden in Höhe von 185 000 Euro, die exemplarisch für das betrügerische Geschäftsmodell stehen sollen. Staatsanwalt Alexander Klingberg schilderte zu Prozessbeginn jeden einzelnen der in der Anklage aufgelisteten 241 Fälle, bei denen Kunden geschädigt wurden.
Nach der Verlesung der Anklage berichtete der Kammervorsitzende von dem Verständigungsgespräch mit dem Staatsanwalt und den Anwälten des 51 Jahre alten Gernot Koch aus Solingen. Im Gegenzug für ein glaubhaftes Geständnis wurde dem Manager eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt. Der nicht vorbestrafte Mann spielt für die Richter nach Aktenlage eine „Rolle, die möglicherweise von kleinerem oder mittlerem Gewicht sein könnte“, so Schwill. Bis zum kommenden Verhandlungstag soll sich der 51-Jährige entscheiden, ob er auf das Angebot eingehen will.
Das Angebot zum Deal befremdete Kochs frühere Kompagnons. „Sehr erstaunt“ über dieses ihm nicht bekannte Gespräch zeigte sich Norbert Gatzweiler, einer der Anwälte des 49 Jahre alten Klaus Bath aus Siegburg. Es sei „sehr ungut für das Verfahren“, dass die Verteidiger der anderen Angeklagten nicht einbezogen worden seien. Vorrangig war für Gatzweiler allerdings ein anderer Punkt: Er rügte die Besetzung des Gerichts. Da die eigentliche Bonner Wirtschaftsstrafkammer derzeit vor allem aufgrund der Prozesse rund um den Bau des Bonner World Conference Center überlastet ist, hatte das Präsidium eine sogenannte Hilfsstrafkammer eingerichtet. Dieser wurde der Teldafax-Fall anvertraut – und dies in den Augen Gatzweilers „vorschriftswidrig“.
Seine Argumentation: Die Überlastung der regulären Wirtschaftsstrafkammer habe schon lange „überdeutlich festgestanden“. Daher hätte das Präsidium „allerspätestens“ im regulären Geschäftsverteilungsplan 2013 eine zweite Wirtschaftsstrafkammer einrichten oder gegebenenfalls deren Aufgaben auf die anderen regulären Strafkammern aufteilen müssen.
Die Einrichtung einer Hilfsstrafkammer wurde von dem Anwalt als „eklatanter Missbrauch“ bezeichnet. Die sei eine „willkürliche Entscheidung“ des Präsidiums gewesen. Die Anwälte des in der Schweiz lebenden 60 Jahre alten Michael Josten sahen dies genauso und rügten die Besetzung ebenfalls.
Für eine ehemalige Mitreiterin von Josten, Bath und Koch spielt das alles keine Rolle mehr. Die ehemalige Marketing-Chefin des Unternehmens hat nach Informationen aus Justizkreisen einen Strafbefehl akzeptiert und ist damit gegen eine geringe Strafe aus dem Schneider. Im Gegenzug soll sie umfassend gestanden haben – was die Lage ihrer Ex-Kollegen deutlich verschlechtern könnte. Zu den Tatvorwürfen machten die Angeklagten am ersten Verhandlungstag keine Angaben.