Was das Verhalten der Mineralölkonzerne beim sogenannten Tankrabatt angeht, gibt es unter Ökonomen zwei Lesarten, die sich anhand der Frage ergeben: Haben die Konzerne von den jüngsten Steuersenkungen profitiert oder haben die Öl-Multis diese an die Konsumenten weitergegeben? Das Münchner ifo-Institut hat einen Preisvergleich zwischen Deutschland und Frankreich durchgeführt. Das Ergebnis: Der Tankrabatt für Diesel und Benzin sei zum großen Teil an die Kunden weitergegeben worden. „Beim Diesel haben die Tankstellen ihn zu 100 Prozent weitergegeben, also 17 Cent Steuersenkung je Liter. Beim Super-Benzin waren es 29 bis 30 Cent von den 35 Cent Steuersenkung, also 85 Prozent“, wird Florian Neumeier vom ifo-Institut in einer Pressemitteilung zitiert. Ob die Steuersenkung dauerhaft an die Konsumenten weitergegeben werde, sei offen, so die ifo-Ökonomen.
Betrachtet wurden demnach die Preise in Deutschland im Vergleich zur Entwicklung in Frankreich vor und nach dem 1. Juni. Dabei nahmen die Wissenschaftler an, dass die Benzinpreise in Deutschland ohne Einführung des Tankrabatts nach dem 1. Juni 2022 dem gleichen Trend gefolgt wären wie die französischen Benzinpreise. In Frankreich sind die Preise seitdem ebenfalls gestiegen, aber die Steuern wurden dort zum 1. Juni nicht verändert.
Der langjährige Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft, der Bremer Ökonom Rudolf Hickel, sieht allerdings eine „systematische Entkoppelung der Spritpreise gegenüber dem Rohölpreis seit dem Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine“. Nach Angaben des Bundeskartellamtes sei der Preisabstand von etwa 40 Cent im letzten Jahr mit dem Angriff auf die Ukraine auf bis zu 50 Cent gestiegen. Ein erneuter Anstieg auf 60 Cent erfolgte laut Hickel kurz vor dem Start des Tankrabatts. Damit sei „der Tankrabatt großteils von den Mineralölkonzernen einkassiert“ worden, schreibt Hickel in einem aktuellen Arbeitspapier. Zu diesem Zweck seien vor dem Start dieses Steuergeschenks die Preise „sekundenschnell erhöht worden“. Hickel: „Durch die nicht volle Weitergabe des steuerlichen Vorteils ab dem 1. Juni konnten die Konzerne und Tankstellen per Mitnahmeeffekt davon profitieren.“ In den Folgetagen sei der Anteil der Übergewinne drastisch gestiegen. Hickel sieht das Problem in einer „gefährlichen Monopolmacht“ der fünf Mineralölkonzerne in Deutschland, die 65 Prozent des Umsatzes beherrschen, und in deren „deren vertikal integrierter Wertschöpfungskette“. Die Konzerne vereinen demnach „den Besitz von Raffinerien und zugleich von 47 Prozent aller Tankstellen in Deutschland sowie Unternehmen zur Förderung, Lagerung und Vermarktung“. Entscheidendes Instrument für abgeschöpfte Übergewinne seien die Margen zwischen dem Rohöleinkauf und den Benzinpreisen der Raffinerien beziehungsweise der Tankstellen. Die Preisabstimmung, die früher über „Frühstückskartelle“ erfolgt sei, setze sich heute über die digital machbare „barometrische Preisführerschaft“ durch: „Ein Unternehmen im Konzern übernimmt recht zufällig die Preisführerschaft und startet mit dem Preisanstieg, dem dann alle in Sekundenschnelle folgen. Die hierüber erzielten Extraprofite führen zu einem Nettogewinnsprung, den die Bundesregierung laut Hickel mit einer Sondersteuer belegen sollte – wie dies bereits in Italien der Fall ist und in früheren Fällen bereits in Großbritannien und den USA praktiziert worden sei. Bremen hatte dazu vergangene Woche eine Bundesratsinitiative eingebracht, die aber kaum Aussicht auf Erfolg hat.
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Trotz seiner Berechnungen, wonach der Tankrabatt den Konsumenten zugute gekommen sei, hält ifo-Präsident Clemens Fuest diese Maßnahme nicht für sinnvoll: Der Rabatt komme „Menschen mit höherem Einkommen und höheren Spritausausgaben zugute und nicht Menschen mit geringem Einkommen“. Aus „ökologischen Gründen und um die Abhängigkeit von Russland zu vermindern“, wäre es außerdem nötig, die Verwendung von Benzin und Diesel zu reduzieren und nicht durch Steuererleichterungen attraktiv zu machen.
Der ADAC empfiehlt unterdessen, eher abends als morgens zu tanken. Die Preisunterschiede an der Zapfsäule betragen zwischen dem Höchststand am Morgen und dem Tiefststand am Abend bei Diesel gut 16 Cent, wie eine am Dienstag veröffentlichte Auswertung des ADAC zeigt. Bei Super E10 macht der Unterschied demnach zehn Cent aus. Am teuersten sind die Kraftstoffe morgens nach 07.00 Uhr. Zwischen 05.00 und 11.00 Uhr schwanken die Preise laut ADAC ziemlich stark, liegen aber fast immer über dem Niveau des restlichen Tages. Ab Mittag zeigt der Trend nach unten; am günstigsten ist das Tanken zwischen 20.00 und 22.00 Uhr. Auch der Zeitraum zwischen 18.00 und 19.00 Uhr sei „relativ preisgünstig“, führte der ADAC aus. Während der Nacht wiederum änderten sich die Preise kaum.
Der Abstand zwischen den höchsten und den niedrigsten Preisen im Tagesverlauf fiel dem Automobilklub zufolge dieses Jahr deutlich größer aus als bei der Erhebung 2021. Damals lag der Unterschied bei Diesel bei sechseinhalb Cent, bei Super E10 waren es gut sieben Cent. Die bei der jüngsten Erhebung im Mai festgestellte Differenz biete somit „einen deutlich größeren Anreiz, zu einem möglichst günstigen Zeitpunkt eine Tankstelle anzusteuern“, befand der ADAC. (mit afp)