Toll Collect: Warum Dobrindt Daimler und Telekom beim Maut-Streit entgegen kommen will

Berlin - Es ist eines der langwierigsten und teuersten Verfahren, das die Bundesrepublik Deutschland je geführt hat: Weil das private Konsortium Toll Collect die Mauterhebung für LKW im Januar 2005 erst mit fast zweijähriger Verspätung in Betrieb nehmen konnte, verklagte der Bund die Anteilseigner Daimler und Telekom auf Vertragsstrafen und Schadenersatz in Höhe von sieben Milliarden Euro.

Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren streiten die Parteien darüber vor einem privaten Schiedsgericht. Doch nun verliert Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CDU) offenbar die Nerven. Nach einem Bericht des Spiegel will er den Konzernen entgegen kommen und auf Milliarden verzichten. Die Opposition ist empört und wittert geheime Absichten des Ministers.

Es war die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder, die 2002 voll auf die Privatisierung staatlicher Aufgaben setzte. Nicht irgendeine Behörde, sondern das Toll-Collect-Konsortium sollte das Maut-System aufbauen und betreiben. Doch die satellitengestützte Technik funktionierte zunächst nicht, worauf der Start mehrfach verschoben werden musste. Dadurch entgingen dem Bund Einnahmen in Milliardenhöhe. Die Klage des Bundes erwiderten die Konzerne mit einer Gegenklage wegen einbehaltender Vergütungen.

Grüne und Linke empört über Dorbindt

Seitdem sitzen Heerscharen von Anwälten beider Seiten an dem Fall, die sich mit Anträgen bombardieren. Die Sache wird nicht vor einem öffentlichen Gericht ausgefochten, weil der Vertrag mit dem Konsortium für den Fall von Streitigkeiten ein Schiedsgericht vorschreibt. Fast 200 Millionen Euro kostete das Verfahren den Bund bisher.

Dobrindt will nun offenbar die Reißleine ziehen. Laut Spiegel erwägt er, sich in einem Vergleich mit der Hälfte des geforderten Geldes zufrieden zu geben. Grundsätzlich macht es Sinn, einen Vergleich anzustreben, zumal nach Ansicht von Experten bei privaten Schiedsverfahren eine Einigung auf die Hälfte eine durchaus akzeptable Quote wäre. Grüne und Linke beschimpfen Dobrindt dennoch: „Es ist himmelschreiend ungerecht, dass Dobrindt plant, die berechtigten Milliardenforderungen gegen Toll Collect einfach fallen zu lassen“, empört sich der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. Und Linken-Verkehrsexperte Herbert Behrens moniert: „Vergleichsverhandlungen anzustreben, wenn ein Erfolg auf ganzer Linie absehbar ist, ist völlig widersinnig.“

Chancen des Bundes sollen eigentlich gut stehen

Dazu muss man zwei Dinge wissen: Obwohl Schiedsverfahren streng geheim sind, sickern immer wieder Informationen durch, nach denen die Chancen des Bundes in dem Verfahren gar nicht so schlecht sind. Warum dann also einen Vergleich anstreben? Das erklärt sich auch aus einem zweiten Strang der komplizierten Geschichte um Toll Collect: Es ist kein Geheimnis, dass Dobrindt aus Gründen der Industrieförderung Daimler und Telekom beim Mautsystem unbedingt langfristig im Boot haben will, koste es, was es wolle. Der Minister hatte zuletzt dafür gesorgt, dass Toll Collect ohne Ausschreibung den 500-Millionen-Euro-Auftrag erhält, die Maut-Erhebung für weitere 40 000 Kilometer Bundesstraßen umzusetzen.

Für 2018 müssen die Anteile an Toll Collect aber europaweit ausgeschrieben werden. Doch wenn sich Daimler und Telekom dann noch in einem Rechtsstreit mit dem Bund befinden, sinken deren Chancen. Deshalb drängt die Zeit, deshalb ein Vergleich. „Profitieren können dabei nur die Eigentümer von Toll Collect, denen der Verkehrsminister ein weiteres Geschenk machen würde“, so Behrens. Und für den Grünen-Politiker Kindler ist klar: „Die großen Verlierer sind die ehrlichen Bürger, die ihre Steuern zahlen.“