Treffen von Opec-Ländern: „Man will Russland nicht verärgern“
Während die EU ein Embargo gegen russisches Öl plant, versucht die Opec den Ukraine-Krieg in ihrer Kommunikation zu vermeiden.

Die Märkte blicken angesichts des geplanten Öl-Embargos der EU gegen Russland mit Spannung auf das Treffen der Ölförderstaaten im Rahmen der Gruppe Opec+ am Donnerstag in Wien. Der Analyst Walid Koudmani von XTB sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei „wahrscheinlich, dass die Opec+ trotz der anhaltenden Instabilität aufgrund des russisch-ukrainischen Konflikts an ihrem Plan festhalten wird“.
Die Ankündigung eines geplanten EU-Embargos für russisches Öl hatte am Mittwoch die Sorgen der Marktteilnehmer vor einer Angebotsverknappung verstärkt. Die Preise schossen daher am Mittwoch in die Höhe und ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete zwischenzeitlich mehr als 110 Dollar – der höchste Stand seit zweieinhalb Wochen.
China könnte bei der Preisentwicklung eine zentrale Rolle spielen
Wann ein EU-weites Öl-Embargo auf russische Lieferungen kommt, ist indessen unklar. Verschiedene Mitgliedstaaten haben Widerstand angekündigt – insbesondere Ungarn, das stark von russischen Lieferungen abhängig ist. Die deutsche Bundesregierung hatte ihren Widerstand hingegen kürzlich aufgegeben.
Preisdämpfend könnte allerdings die „Aussicht auf einen Nachfragerückgang aufgrund der in China beobachteten Einschränkungen“ wirken, sagte Koudmani. China sah sich in den vergangenen Wochen mit dem schlimmsten Corona-Ausbruch seit Beginn der Pandemie konfrontiert. Das Land hält offiziell weiter an seiner strengen Null-Covid-Politik mit schnellen Lockdowns und Massentests fest, die wichtige Wirtschaftsmetropolen wie Shanghai oder Peking lahmlegen.
Koudmani erwartete nur eine minimale Erhöhung der Ölfördermenge, wie sie bereits bei früheren Treffen der Opec+ angedeutet wurde. Die Analystin Ipek Ozkardeskaya von der Bank Swissquote äußerte sich in ähnlicher Weise.
Was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die Opec-Länder? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ändert das europäische Öl-Embargo die Strategie der Opec+?
Dafür gibt es keine Anzeichen. Nach starken Produktionskürzungen zu Anfang der Corona-Pandemie hat die Allianz ihre Tagesproduktionsziele in den vergangenen Monaten schrittweise um rund 400.000 Barrel angehoben (1 Barrel = 159 Liter). Die Zeichen stehen auf Fortsetzung dieser vorsichtigen Politik auch im Juni.
Wirken sich die Sanktionen auf die Dynamik innerhalb der Gruppe aus?
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und ihre von Russland angeführten Bündnispartner stehen trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine Seite an Seite. Die Opec spricht den Krieg nicht direkt an und verwendet stattdessen Bezeichnungen wie „geopolitische Spannungen in Osteuropa“.
„Man will Russland nicht verärgern“, sagt Analyst Giovanni Staunovo von der Schweizer Bank USB. Nachdem Russland seine Exporte im April erhöht statt gesenkt habe, bestehe in der Allianz auch kein Interesse, Förderziele offiziell mehr als geplant anzuheben, um Sanktionen auszugleichen.
Wohin kann Russland künftig sein Öl verkaufen?
Vor allem nach Asien. Indien kaufte schon zuletzt mehr günstiges russisches Öl aus Russland, mit dem die südasiatische Wirtschaftsmacht schon lange gute Beziehungen pflegt. Auch China, das sich in der Ukraine-Frage nicht gegen Moskau stellt, kommt als Abnehmer in Frage.
Allerdings wird die Nachfrage der chinesischen Industrie noch durch die strengen Corona-Maßnahmen Pekings gedämpft. Laut Edoardo Campanella von der Unicredit Bank in Mailand gibt es auch Anzeichen, dass russisches Öl auf großen Schiffen auf See mit Öl aus anderen Ländern vermischt wird. So könne die Herkunft verschleiert und das Embargo umgangen werden.
Welchen Stellenwert hatte russisches Öl bislang in der EU?
Vom Gesamtwert der Ölimporte der Europäischen Union entfiel im Vorjahr ein knappes Viertel auf Russland. Die Anteile aller anderen Lieferländer blieben laut EU-Statistik jeweils unter 10 Prozent.
Welche Länder könnten künftig mehr nach Europa liefern?
„Prinzipiell könnten die USA die Ölexporte noch ausweiten“, sagte Carsten Fritsch von der Commerzbank. Schon vor der Bekanntgabe der Sanktionspläne kam Öl aus strategischen US-Reserven nach Europa. Damit auch die Produzenten in den Vereinigten Staaten mehr Öl für Abnehmer jenseits des Atlantiks pumpen, brauche es jedoch staatliche Anreize wie etwa Fördergenehmigungen, sagte Fritsch. Außerdem herrsche in der US-Ölindustrie Arbeitskräftemangel.
Aus dem Kreis der Opec-Staaten könnte der Iran künftig an die EU liefern - aber erst, wenn die auf der Kippe stehenden Atomverhandlungen doch noch Erfolg haben. Denn dann würde Washington sein Embargo auf iranisches Öl aufheben. Zudem könnten Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate etwas mehr exportieren.
Bedeutet das auch steigende Preise für Verbraucher?
Analysten erwarten zumindest ein weiterhin hohes Preisniveau für Rohöl und Produkte wie Benzin oder Diesel. Denn wenn andere Länder statt Russland nach Europa liefern, steht Abnehmern in anderen Regionen weniger zur Verfügung. „Es ist nicht so, dass es mehr Öl auf dem Markt gibt“, sagt Staunovo. Durch die hohen Preise würde die Kaufkraft in Europa beeinträchtigt.
Laut dem Commerzbank-Ökonom Bernd Weidensteiner haben EU-Länder laut dem Sanktionsplan zwar genügend Zeit, um sich andere Ölquellen zu sichern, doch er sieht ein anderes Risiko, das sich negativ auf Energiepreise auswirken könnte: Russland könnte auf das Öl-Embargo mit einem Gas-Lieferstopp nach Europa reagieren. „Das ist viel schwerer zu ersetzen“, sagte er.