Trudeau pokert mit Scholz: Kanada behält Nord-Stream-Turbine und bietet Deutschland Flüssiggas
Olaf Scholz und Justin Trudeau bereiten einen Gas-Deal vor. Werden Umweltschützer durchdrehen? Und was ist mit der Nord-Stream-Turbine? Die Antworten.

Dass Gazprom die Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Europa um 60 Prozent drosselte, hat politische Gründe. Doch es geht auch um die Wartung einer notwendigen Gasturbine des deutschen Herstellers Siemens Energy, die Siemens in Kanada überholte und die jetzt wegen der kanadischen Sanktionen gegen Gazprom nach Russland nicht ausgeliefert werden kann.
Die Bundesregierung versucht nach eigenen Angaben eine Lösung zu finden, doch so einfach scheint es nicht zu sein, denn schließlich will Kanada die Sanktionen gegen Russlands Öl- und Gasindustrie einhalten. Aber man wolle auch nicht den Ottawa-Verbündeten Deutschland bestrafen, sagte ein kanadischer Minister letzte Woche.
Nun zeigt der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau kühl und clever, wie nationale Interessen auf der internationalen Ebene ausgespielt werden. Wie der Nachrichtedienst Bloomberg schreibt, hätten Ministerpräsident Justin Trudeau und Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande des G7-Gipfels in Elmau unter anderem den Ausbau der deutsch-kanadischen Beziehungen im Gasbereich besprochen, nämlich: ob man ein LNG-Terminal an der kanadischen Ostküste für den Export nach Europa und Deutschland bald bauen werde.
Kanada erwäge einen Ausbau der Energieinfrastruktur, sagte Trudeau am Dienstagmittag in Elmau, um Europa „mittelfristig“ beim Verzicht auf russisches Gas mit dem eigenen Flüssiggas, bekannt als LNG, zu helfen. Der Vorstandschef der größten Gasförderfirma in der kanadischen Gas-Provinz Quebec, Utica, hatte bereits im April in Aussicht gestellt, wenigstens 20 Prozent des russischen Gases in Europa ersetzen zu können.
„Wir sind daran interessiert, unseren Freunden in Deutschland zu helfen“
Die Infrastruktur könnte in Zukunft auch für den Wasserstoffexport genutzt werden, sagte der kanadische Ministerpräsident weiter dazu. Damit wolle man nicht nur den Übergang von russischem Öl und Gas beschleunigen, sondern auch „von unserer globalen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels“ wegrücken.
„Es laufen viele Gespräche mit Bundeskanzler Scholz, und ich freue mich darauf, sie fortzusetzen, wenn er im August nach Kanada kommt“, so Trudeau.
Scholz wird voraussichtlich im August mit einem offiziellen Besuch nach Kanada kommen. Sollten die russischen Gasflüsse nach Europa mit der jährlichen Wartung der Nord Stream 1 – eine Zitterpartie für Deutschland – ab 11. Juli auf null gehen, dürfte ein deutsch-kanadischer LNG-Deal noch eher stattfinden.
Allerdings bräuchte solch ein Deal nicht nur die staatlichen Anstrengungen, sondern vor allem die Bereitschaft der Industrie, Milliarden von Dollar dafür aufzubringen, sagte der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, gegenüber Bloomberg. Der Bau eines neuen LNG-Terminals könnte ein Jahrzehnt dauern, bis er den Regulierungsprozess durchlaufen habe, und würde wahrscheinlich auf heftigen Widerstand der Umweltschützer stoßen. Aber wenn die spanische Firma Repsol SA sich bereit erklärt, ein eigenes Importterminal an der kanadischen Küste in ein Exportterminal umzubauen, könnte sie schon in drei bis vier Jahren erstes kanadisches LNG nach Europa liefern, so Wilkinson.
Der Minister dazu: „Wir sind daran interessiert, unseren Freunden in Deutschland zu helfen, und die Deutschen haben uns gedrängt, zu versuchen, das zu tun, was wir können.“