Umfrage unter Führungskräften zeigt: Gender-Debatten müssen sein

Deutschland, ein Paradies für Gleichstellung? Diesen Eindruck scheinen Führungskräfte laut einer Untersuchung zu haben. Doch die Zahlen sind ein Weckruf.

Verdient sie so viel wie er? Schön wär’s. Führungskräfte in Deutschland sehen kein Problem bei der Gleichstellung – zumindest nicht im eigenen Unternehmen (Symbolbild).
Verdient sie so viel wie er? Schön wär’s. Führungskräfte in Deutschland sehen kein Problem bei der Gleichstellung – zumindest nicht im eigenen Unternehmen (Symbolbild).imago

Es scheint wie eine gute Nachricht: Die Mehrheit der Führungskräfte in Deutschland hat nicht den Eindruck, dass es in ihrem Unternehmen Probleme mit Gleichstellung gibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Chef ein Mann oder eine Frau ist. Beide Geschlechter sind zufrieden. Das ist (eines) der zentralen Ergebnisse des Führungskräfte-Radars 2021, das die Bertelsmann-Stiftung gemeinsam mit der Universität Witten/Herdecke erhoben hat. Dafür wurden 1026 Führungskräfte in kleinen, mittleren und großen Unternehmen befragt.

Umfrage unter Führungskräften: Männer und Frauen sind sich einig

Und die Zahlen lassen aufhorchen: Für fast 75 Prozent der Befragten macht das Geschlecht der Führungskraft im eigenen Unternehmen keinen Unterschied. 81,7 Prozent sehen keine Geschlechterkonflikte. Fast 77 Prozent geben an, dass die Gehälter unabhängig vom Geschlecht gezahlt werden. Wohlgemerkt: Auch hier sind sich Männer und Frauen einig. Deutschland, ein Gleichstellungsparadies. Debatten über Gender, ungleiche Entlohnung und ungerechte Aufstiegschancen – war da was?

Nun: Ganz so einfach ist es nicht. Im Umkehrschluss bedeuten die Zahlen nämlich, dass ein nicht unerheblicher Teil der Spitzenkräfte sehr wohl Mängel sieht. Beispiel sexuelle Belästigung: Wenn 82,5 Prozent der Befragten angeben, dass im Unternehmen konsequent dagegen angegangen wird, ist das kein Ergebnis, auf dem man sich ausruhen kann, ja darf – denn fast jeder Fünfte sieht es anders.

Selbsteinschätzung und gesellschaftlicher Diskurs klaffen auseinander

Hinzu kommt: Der Blick auf die eigene Organisation kann getrübt sein. Die Diskrepanz zwischen öffentlichem Diskurs und betrieblicher Selbsteinschätzung ist augenscheinlich. Für ein unscharfes Bild spricht die Tatsache, dass eine höhere Führungsebene mit einem positiveren Bild von Gleichstellung einhergeht. Mit anderen Worten: Die Realität an der Basis ist eine andere als die in leitender Position. Dagegen hilft nur, die Zustände im Unternehmen stets zu hinterfragen. Und Gender-Debatten zuzulassen – auch wenn sie manchmal wehtun.