Umweltingenieur zu Verbotsfantasien der Grünen: „Sonst ist Dieselmotor viel effektiver“

Mark Zittwitz ist beruflich mit der Beseitigung von Umweltschäden in Berlin beschäftigt und fährt privat einen Hybrid. Für die Mobilitätspolitik der Grünen findet er jedoch klare Worte.

Elektro-Lastwagen dürften nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC in einem Jahrzehnt den Markt beherrschen. 
Elektro-Lastwagen dürften nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC in einem Jahrzehnt den Markt beherrschen. Uwe Anspach/dpa

Welche Autos werden Berliner in zehn Jahren noch fahren dürfen und wo? Die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, möchte etwa ab 2030 alle Verbrenner aus der Berliner Innenstadt verbannen, die Friedrichstraße autofrei machen und den A100-Ausbau „niemals kommen“ sehen.

Noch klingt es wenig realistisch, doch die Rufe nach einem strengeren Vorgehen bei den Klimazielen werden immer lauter. Bei „Anne Will“ in der ARD hat die Grünen-Chefin Ricarda Lang zuletzt ein „Ordnungsrecht“ gefordert, einen Maßnahmenkatalog zur Bändigung des Verkehrs unter anderem mit einem Tempolimit.

Die Beiträge der Berliner Zeitung zeigen dabei: Das Thema Elektroauto sorgt bei den Menschen in Deutschland, einem Autoland, für gewisse Emotionalitäten. Man muss aber kein Gegner von E-Mobilität generell oder ein Verbrenner-Fan sein, um zu erkennen: So wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen können.

„Elektroautos fahren momentan mit Braunkohle“

Die Berliner Zeitung will den Berlinern deswegen in einer Mobilitätsdebatte eine Stimme geben und erfahren, wie sie sich eine Verkehrswende in Berlin vorstellen. „Das ist ein Thema, das auch mich emotional werden lässt“, schreibt etwa Mark Zittwitz aus Treptow-Köpenick dazu. Der Diplom-Ingenieur leitet eine Firma im Bereich innovative Sanierungstechnologien für Grundwasser und Boden, die in Berlin und ganz Deutschland tätig ist. Umweltschutz ist für ihn kein Fremdwort.

Die Forderungen von Bettina Jarasch und ihren Parteifreunden sind für den 46-Jährigen trotzdem etwas radikal. Er schreibt: „Zum einen, weil Elektroautos momentan mit Braunkohle fahren, und zum anderen, weil ich es geradezu zynisch finde, wie eine Besserverdienerin den Krankenpflegerinnen und -pflegern, den Feuerwehrleuten und Müllmännern, den Dienstleistern und Handwerkern vorschreiben möchte, sich ein Elektrofahrzeug zu kaufen, um damit zur Arbeit zu kommen. Diese Menschen, die beim Gehalt eher am unteren Level kratzen, kaufen eher günstige Gebrauchtwagen, diese gibt es aber im Elektrofahrzeugsegment noch nicht.“

In einem näheren Gespräch lässt Zittwitz seinen Emotionen freien Lauf und macht konstruktive Vorschläge für die Berliner Mobilitätspolitik. Hier seine Erzählung:

„Es gibt für unsere Transportaufgaben keine Elektrofahrzeuge für vernünftiges Geld“

Mark Zittwitz (46): Unsere Firma arbeitet im Bereich der Beseitigung von Umweltschäden und ist dafür von Berlin-Tempelhof aus deutschlandweit und im Ausland tätig. Meine Kollegen pendeln überwiegend aus dem Berliner Umland zur Arbeit. Ich selbst wohne am äußersten Stadtrand in Treptow-Köpenick.

Ein wesentlicher Teil unserer Arbeit ist es, Bohrungen niederzubringen, um etwa Grundwasser-Messstellen zu bauen. Das benötigte Equipment müssen wir mit Transportern auf die Baustelle bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir mit den aktuell verfügbaren Elektrofahrzeugen unsere Transportaufgaben realisieren können: Es gibt keine Elektrotransporter für vernünftiges Geld, mit ausreichender Zuladung und Reichweite, weil bisher nur sehr wenige Elektro-Lkws versuchsweise entwickelt worden sind. Dazu kommt das Problem, dass der Batterieverbrauch enorm in die Höhe springt und die Reichweite eines solchen Transporters nur sehr begrenzt ist, wenn man Tonnage transportiert.

Mark Zittwitz aus Treptow-Köpenick
Mark Zittwitz aus Treptow-KöpenickPrivatarchiv

Sollten Bettina Jaraschs Pläne irgendwann umgesetzt werden, wird unsere Firma wohl ins Umland umsiedeln müssen. So wie wir werden dann auch viele Handwerker und Kleinunternehmer abwandern, die dann wohl kaum noch zur Beseitigung von, sagen wir, Dachschäden (sic!) im Regierungsviertel kommen dürften, da die Innenstadt ja mit Verbrennern nicht mehr befahren werden darf.

Elektroautos sind nicht emissionsfrei

Privat fahre ich einen Hybrid und bin der Meinung, dass Elektrofahrzeuge durchaus eine sehr gute Chance haben, weil es einfach Spaß macht, sie zu fahren. Doch um mehr Menschen erreichen zu können, müssen sie vor allem preiswerter, günstiger werden. Es reicht bei einem Tesla nicht mehr, ein attraktives Produkt zu sein. Die Menschen müssen sich dieses Produkt auch leisten können. Im Laufe der Zeit dürfte diese Vergünstigung zwar automatisch stattfinden, aber der Staat kann sie auch fördern, und zwar nicht mit einer bürokratischen Kaufprämie, sondern schlicht durch die Aussetzung der Mehrwertsteuer auf die Elektrofahrzeuge.

Wir müssen zudem das gesamte Thema Verkehrswende weiterdenken. Man kann nicht immer die einzelnen Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausspielen mit der Annahme, ein Elektroauto sei ein absoluter Klimaretter und emissionsfrei. Man darf die Diskussion nicht auf die einfache Frage „Elektroauto: Ja oder Nein“ reduzieren, sondern müsste die größere Frage stellen: Wie senken wir den CO₂-Ausstoß? Bisher ist ein E-Auto aus meiner Sicht angesichts der Umweltkosten bei der Produktion und der aktuellen Stromerzeugung kein Null-Emissions-Auto, sondern eine ziemlich unsaubere Fahrzeugklasse. Damit sich das ändert, muss der Strom zu 100 Prozent aus regenerativen Energien kommen. Ansonsten ist der Dieselmotor viel effektiver als ein Braunkohlekraftwerk.

Der gesunde Menschenverstand wird die Verkehrswende von selbst machen

Die Steinzeit ist auch nicht deshalb zu Ende gegangen, weil die Steine verboten wurden. Um eine Verkehrswende herbeizuführen, braucht es keine Verbote und obrigkeitsgelenkten Konsum, sondern attraktive Angebote für den ÖPNV, den Radverkehr und die Fußgänger als eine funktionierende Alternative zum Individualverkehr. Die Förderung von Innovation muss zu Lösungen führen, die leistungsmäßig und preislich so attraktiv sind, dass diese ohne Zwang übernommen werden, einfach nach dem gesunden Menschenverstand.

Es ergeben sich völlig neue Lösungsansätze, wenn man den Verkehr in mehreren Ebenen denkt: Attraktive Radschnellwege, nutzbar auch für Elektroroller, ließen sich etwa durch eine Überdachung der Stadtautobahn und auf T-Trägern oberhalb der Magistralen der Stadt realisieren, mit integrierten Parkbuchten für Miet-E-Scooter. Dies würde den Gehweg wieder den Fußgängern zurückgeben, und die „zweite Reihe“ dem Lieferverkehr. Diese Radschnellwege könnten wiederum überdacht werden mit Solarzellen, auch zum Aufladen der E-Scooter. Bei den Neubauten sollten prinzipiell Tief- oder Dachgaragen eingebaut werden.

Die Abschaffung des ABC-Tarifsystems im ÖPNV scheint eine beschlossene Sache, nun muss konsequent daran gearbeitet werden, das Umland besser an den ÖPNV zur Innenstadt anzubinden. Eine Verlängerung der S-Bahn zur Tesla-Fabrik in Grünheide wäre sinnvoll, eine bessere Anbindung von Siemensstadt, Nauen, Rangsdorf und Ludwigsfelde. Zumindest die Diskussion über die Einführung einer 1. Klasse im Nahverkehr sollte kein Tabuthema mehr sein, wenn auch die sonst Porsche fahrenden Banker mal den ÖPNV benutzen sollen.

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