Homeoffice: „Deutsche Unternehmen, nehmt euch bitte kein Beispiel an Elon Musk“

Immer mehr Unternehmen forcieren eine Rückkehr ihrer Mitarbeiter ins Büro. Dabei habe mobiles Arbeiten für Arbeitgeber Vorteile, sagt eine Homeoffice-Expertin.

Nach zwei Pandemiejahren haben viele Arbeitnehmer das Homeoffice zu schätzen gelernt.
Nach zwei Pandemiejahren haben viele Arbeitnehmer das Homeoffice zu schätzen gelernt.imago

Es gibt Fans vom Homeoffice und solche, die es nicht sind. US-Unternehmer Elon Musk sagte kürzlich, seine Mitarbeiter sollten ins Büro zurückkehren oder kündigen. Teresa Hertwig, Geschäftsführerin von der Berliner Beratungsagentur GetRemote, die Unternehmen dabei begleitet, mobile Arbeitsstrukturen zu etablieren, hält eine solche Aussage für fatal: Unternehmen, die Homeoffice komplett wieder streichen, würden vom Arbeitsmarkt aussortiert werden, sagt sie im Gespräch mit der Berliner Zeitung.

Frau Hertwig, fast ein Viertel der Beschäftigten arbeitete 2021 zumindest gelegentlich von zu Hause aus. Seit einigen Monaten kehren viele wieder ins Büro zurück. Wie kann ein Arbeiten funktionieren, in dem ein Teil der Belegschaft nach zwei Jahren Homeoffice wieder in Präsenz arbeiten will und der andere Teil weiterhin Homeoffice vorzieht?

Das kann definitiv funktionieren. Aber dazu muss die Arbeitsweise noch weiter umgestellt werden. Während die komplette Belegschaft im Homeoffice war, hatten alle schon andere, aber zumindest die gleichen Kommunikationsvoraussetzungen. Jetzt aber, wo ein Teil der Belegschaft im Büro ist und ein Teil mobil arbeitet, ist das anders. Mitarbeiter im Büro tauschen sich wieder über den Schreibtisch hinweg aus und dadurch können Informationen verloren gehen. Es ist deshalb wichtig, dass die Führungskräfte die Kommunikation bewusst leiten, damit keine Zweiklassengesellschaft entsteht.

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Wie sieht das im Idealfall aus? Mitarbeiter im Büro sollen sich doch sicherlich weiterhin über den Schreibtisch hinweg unterhalten dürfen.

Natürlich, das ist ganz normal. Genauso wie auch ein Plausch in der Kaffeeküche weiter stattfinden wird. Aber wenn ich nur über den Schreibtisch kommuniziere, dann gehen Informationen verloren. Wir müssen eben mitdenken, dass die Mitarbeiter, die mobil arbeiten, diese Informationen nicht mitbekommen. Das heißt, ich muss viel mehr dokumentieren, zum Beispiel über Chatsysteme wie Slack oder Teams, damit die Kollegen, die nicht im Büro sind, das mitbekommen.

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Zur Person
Teresa Hertwig ist Geschäftsführerin von GetRemote, einer Beratungsagentur in Berlin, die seit 2018 Unternehmen dabei begleitet, mobile Arbeitsstrukturen zu etablieren. Sie selbst hat eine zehnjährige Praxiserfahrung in der Führung virtueller Teams. Im April 2022 ist ihr Buch „Produktivität braucht kein Büro – Wie sich Unternehmen mit hybridem Arbeiten zukunftssicher aufstellen“ im Gabal Verlag erschienen.

Das klingt dann ja erst mal nach Mehrarbeit. Was sind denn andererseits die Vorteile vom mobilen Arbeiten?

Mehrarbeit ist es nur bedingt. Auch ohne Homeoffice-Regelung wäre es wichtig, besser zu dokumentieren. Über den Schreibtisch hinweg zu sprechen war noch nie eine wirklich effektive Arbeitsweise. Und nun zu den Vorteilen vom mobilen Arbeiten: Der größte ist, dass ich den Fachkräftemangel schließen kann. Ich bin nicht mehr nur an den Radius um das Büro herum gebunden, sondern ich kann Mitarbeiter anstellen, die ihrer Qualifikation her nach die besten Mitarbeitenden sind, und nicht nur die, die im direkten Umkreis leben. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Mitarbeiter, die mobil arbeiten, ganz oft berichten, dass sie viel konzentrierter arbeiten können. Nicht zu vergessen natürlich die Positionierung als attraktiver Arbeitgeber.

Elon Musk sagte neulich: Entweder die Mitarbeiter kommen zurück ins Büro oder sollen kündigen. Was sagen Sie Arbeitgebern, die Bedenken haben, ihren Mitarbeitern dauerhaft Homeoffice zu ermöglichen?

Mein großer Appell an deutsche Unternehmen: Nehmt euch bitte kein Beispiel an Elon Musk. Denn das ist ein zu großes Extrem. Nach diesen zwei Pandemiejahren haben Mitarbeiter die Vorteile von Arbeiten im Homeoffice schätzen gelernt. Wenn ich mich komplett dagegen versperre, werde ich gute Talente nicht mehr halten können. Und ich werde auch keine guten neuen Mitarbeiter mehr gewinnen können. Unternehmen, die Homeoffice komplett wieder streichen, werden vom Arbeitsmarkt aussortiert werden. Der Großteil der deutschen Unternehmen bereitet sich zurzeit auf ein hybrides Arbeitsmodell vor, also auf einen Mix zwischen Homeoffice und Büroarbeit. Für die anderen Firmen, die das nicht anbieten, ist das ein sehr großer Nachteil und diese Unternehmen werden den Fachkräftemangel noch viel stärker spüren als die anderen.

Sie beraten Unternehmen, die mobiles Arbeiten etablieren wollen. Die Arbeitgeber, die auf Sie zukommen, sind dem Thema ja schon aufgeschlossen. Welche Bedenken äußern sie trotzdem?

Deren Bedenken sind größtenteils, dass die Kultur des Unternehmens verloren geht. Dass die Mitarbeiter die Bindung zum Unternehmen verlieren. Auch berichten ganz viele Führungskräfte oder Unternehmensinhaber, dass ihnen das Gefühl dafür verloren geht, wie es ihren Mitarbeitenden geht. Vorher, als sie durchs Büro spaziert sind, haben sie vielleicht schon an der Haltung, Mimik oder Gestik der Mitarbeiter erkannt, wie die Stimmung im Betrieb ist.

Und wie nehmen Sie diese Bedenken?

Das Ganze ist kein Wunschkonzert. Der Arbeitgeber darf durchaus entscheiden, dass es für den Kulturerhalt des Unternehmens wichtig ist, auch Präsenzphasen zu haben, und dass sich die Mitarbeiter zum Beispiel einmal in der Woche oder zweimal im Monat gesammelt am Unternehmensstandort treffen. Es braucht einen gewissen Kompromiss an dieser Stelle. Weder das Extrembeispiel von Elon Musk, alle müssen 40 Stunden in der Woche im Büro sein, ist zu empfehlen. Noch, dass jeder Mitarbeiter das komplett selbst entscheiden kann. Es ist wichtig, klare Spielregeln zu etablieren, damit mobiles Arbeiten funktioniert.

Das Gespräch führte Theresa Dräbing.