Valneva: Kommt bald der Impfstoff für mRNA-Skeptiker?

Der erste Impfstoff, der mit klassischer Methode entwickelt wurde, ist fast fertig. Er könnte für jene geeignet sein, denen die mRNA-Technik zu unsicher ist.

In den Labors von Valneva
In den Labors von ValnevaValneva

Das österreichisch-französische Unternehmen Valneva hat einen Covid 19- Impfstoff entwickelt, der nicht mit der mRNA-Technik arbeitet, sondern auf der seit vielen Jahrzehnten bei anderen Impfstoffen verwendeten Totimpfstoff-Methode (inaktivierter Ganzvirusimpfstoff).

Der Impfstoff befindet sich in der Phase 3. Die ersten Testergebnisse dieser entscheidenden Studie werden für Oktober erwartet. Eine Zulassung in Großbritannien wird noch in diesem Jahr angepeilt, die EU-Zulassung könnte bald darauf folgen.

Großbritannien hat bereits 100 Millionen Dosen gekauft, mit der EU befindet sich Valneva laut Mitteilung der EU-Kommission in fortgeschrittenen Verhandlungen über den Ankauf von bis zu 60 Millionen Dosen. Die Dosen der EU sollen vor allem für die Auffrischungsimpfungen verwendet werden.

Der entscheidende Punkt an dem neuen Impfstoff: Es ist ein klassischer Impfstoff. Damit könnte das Produkt von Valneva eine Alternative für Menschen sein, die gegenüber den neuartigen Impfstoffen skeptisch sind.

Thomas Lingelbach, der CEO von Valneva: „Ich hoffe, dass wir mit unserem Impfstoff jene zwei bis drei Prozent der Menschen adressieren können, die, aus welchen Gründen auch immer, Bedenken gegenüber den neuartigen Impfstoffen haben und damit einen Beitrag zur Durchimpfungsrate leisten.“

Lingelbach erklärt die Entwicklung des Valneva-Impfstoffs im Gespräch mit der Berliner Zeitung: „Unser Impfstoff nimmt das Virus in seiner natürlichen Form auf und tötet es chemisch ab. Dadurch behält das Virus seine Mikro- und Makrostruktur, ist aber nicht mehr reproduktionsfähig. Unser Immunsystem reagiert auf den Impfstoff wie auf eine natürliche Erkrankung. Dadurch entstehen Antikörper und diese schützen uns dann vor einer Infektion.“

Die von Valneva verwendete Technologie entspreche den klassischen Impfstoffen wie jenen gegen Influenza, FSME oder Hepatitis.

Lingelbach erklärt, warum sein Unternehmen seinen Impfstoff mit dem Namen VLA2001 entwickeln konnte: „Die Herstellung ist doch sehr komplex in der Produktion. Sie brauchen Labore mit der Sicherheitsstufe 3, weil das Arbeiten mit dem aktiven Virus sehr sorgfältig geschehen muss.

Einen solchen Impfstoff in großen Mengen herzustellen, ist nicht ganz einfach. Wir haben die notwendigen Fähigkeiten, weil wir seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig sind. Darüber hinaus sind die Produktionszeiten relativ lang, etwa 50 Prozent länger als bei den mRNA- oder Vektor-Impfstoffen.“ Die Herausforderung bestehe darin, „sehr große Mengen in sehr kurzer Zeit produzieren zu müssen“.

Valneva hat bei der Herstellung den Vorteil, dass das Unternehmen seine bestehende Produktionsplattform verwenden kann: Valneva hat unter anderem einen Impfstoff gegen Japanische Enzephalitis entwickelt. Lingelbach: „Inaktivierte Impfstoffe gehören zu den verlässlichsten und sichersten Impfstoffklassen überhaupt.“

Lingelbach sagt, man könne „von Glück reden, dass die Entwicklung von mRNA-basierten Impfstoffen bei Sars Cov-2 so schnell gelungen“ sei. Doch gäbe es „Fragenzeichen bei den Nebenwirkungen“. Hier könnte VLA2001 einen klaren Vorteil haben. Aktuell werden ca. 4000 Personen in Großbritannien in der Phase 3-Studie in Großbritannien getestet.

Lingelbach: „Die Kontrollgruppe wird mit AstraZeneca geimpft. Denn die strengen Zulassungsanforderungen erfordern, dass wir mindestens dieselbe Wirksamkeit aufweisen müssen wie die bereits zugelassenen Impfstoffe. Die Wirksamkeit lag bei AstraZeneca über 70 Prozent, und ich gehe davon aus, dass wir dieselbe Größenordnung erreichen werden.“

Bei Totvirus-Impfstoffen lässt die Wirkung erfahrungsgemäß nach einigen Jahren nach, weshalb aufgefrischt werden muss. Wie sich an den aktuellen Erfahrungen mit den anderen Impfstoffen zeigt, ist die Wirkung dort offenbar noch kürzer – weshalb Valneva hier konkurrenzfähig sein dürfte.

Valneva ist „einer der übriggebliebenen Impfstoff-Mittelständler“, sagt Lingelbach. Das Unternehmen entstand aus der Wiener Intercell und der französischen Vivalis. Es beschäftigt aktuell 700 Mitarbeiter, die meisten davon in Wien.

Dort arbeitete die Abteilung Forschung und Entwicklung – Intercell war eine Ausgründung der Universität gewesen, „das erste börsennotierte Biotech-Unternehmen in Österreich“, wie Lingelbach erklärt. Die Produktionsanlage für Valnevas Covid-19-Impfstoff liegt in Schottland, da das Unternehmen von der britischen Regierung mit Risikokapital unterstützt wurde. Lingelbach: „Die britische Regierung re-investiert britische Steuergelder und wir werden im Erfolgsfall mehrere hundert zusätzliche Arbeitsplätze in Schottland aufbauen.“

London unterstützt das Unternehmen nicht nur finanziell: Die Untersuchungen der Tests für die Studie werden in staatlichen britischen Laboren durchgeführt. Ein weiterer Produktionsstandort liegt in Schweden. Unterstützt wird Valneva außerdem vom französischen Staatsfonds BPI. Investoren sind außerdem die MVM Fonds und die französische Groupe Grimaud.

Aktuell macht das Unternehmen, dessen Aktienkurs sich im Jahr 2020 stark steigend entwickelt hat, noch Verluste. Die etwa 130 Millionen Euro an Umsätzen aus Produkten wie im Jahr 2019 sind erst ein Anfang, so Lingelbach.

Der CEO hofft jedoch neben dem Covid-Vakzin auf einen zweiten Durchbruch: Gemeinsam mit Pfizer geht ein Impfstoff gegen Borreliose in die Phase-3-Entwicklung. Valneva wäre das erste Unternehmen, das einen Impfstoff anbieten könnte.

Sollte sich der wirtschaftliche Erfolg einstellen, wird Valneva vermutlich ein Übernahmekandidat für einen der großen Pharmakonzerne. Lingelbach strebt dies nicht an: „Wir können und wollen aus eigenen Kräften wachsen.“