Vegan-Supermärkte: Vegan ist das neue Bio

Berlin - Hamburger, Mozzarella, Hühnerkeulen, Schnitzel: All das finden die Kunden auch bei „Veganz“ – Berlins einzigem veganen Supermarkt mit Vollsortiment, wie Geschäftsführer Jan Bredack sagt. Nicht vom Tier, sondern auf Basis von Soja- und Weizenprotein oder gesprossenem Vollkornreis, versteht sich.

Auf 250 Quadratmetern verkaufen Jan Bredack und seine mittlerweile 26 Mitarbeiter in Prenzlauer Berg von Trinkhanf über Spinatpizza bis hin zu Tampons von alternativen Herstellern so ziemlich alles, was frei von tierischen Bestandteilen ist – Alkohol ausgenommen. 6000 Artikel inklusive Rohkost-Regal hat Bredack im Programm, im Bistro gibt’s Kaffee mit Mandel- oder Sojamilchschaum und vegane Kuchen.

Anders als Bio-Supermärkte wie Alnatura, die er als direkte Konkurrenten bezeichnet und die ihre Waren in der Regel von ein bis zwei Großhändlern beziehen, ordert Bredack seine Waren von mehr als 100 Lieferanten weltweit. Zwei Jahre habe die Recherche gedauert, um die passenden Produkte zu finden, sagt Bredack. Viele stammen aus den USA, wo die vegane Szene deutlich größer ist als in Deutschland, so dass Bredack dort einen festen Mitarbeiter beschäftigt.

„Vegan ist das neue Bio“

Den großen Erfolg von Veganz hatte er so nicht erwartet: „Ich hätte nicht gedacht, dass am Ende das Drei- bis Vierfache meiner ursprünglichen Kalkulation herauskommt“, sagt der 40-jährige Betriebswirt, der zuvor 20 Jahre beim Autobauer Daimler arbeitete. Statt der erwarteten 100 Kunden pro Tag hat er im Schnitt 400, der Umsatz hat sich innerhalb des vergangenen Jahres auf 1,5 Millionen Euro verdoppelt.

Offenbar hat er mit seiner Geschäftsidee den Nerv der Zeit getroffen: Die Zahl veganer Restaurants, Schuhgeschäfte und Labels nimmt – vor allem in Großstädten wie Berlin – stetig zu. Elf Restaurants, Imbisse und Cafés haben sich bislang in der Hauptstadt der veganen Küche verschrieben, wie aus der Homepage der Stadt hervorgeht. Seitdem sich auch immer mehr Stars dazu bekennen, auf Fleisch, Milch und Milchprodukte zu verzichten, liegt Veganismus plötzlich im Trend. „Vegan ist das neue Bio“, sagt Jan Bredack.

Obwohl Veganz erst Mitte 2011 in der Schivelbeiner Straße in Prenzlauer Berg eröffnete, stehen die Zeichen stark auf Expansion: Im vergangenen Jahr eröffnete Bredack zwei neue Märkte in Leipzig und Wien, am heutigen Freitag einen weiteren in Frankfurt am Main.

Spätestens Ende Februar soll dann in Berlin eine zweiter Markt starten: in der Warschauer Straße in Friedrichshain, in prominenter Lage direkt an der Oberbaumbrücke. Auf 300 Quadratmetern im Erdgeschoss wird der Laden unterkommen, im ersten Stock auf 700 Quadratmetern plant Bredack ein zusätzliches, gastronomisches Angebot.

Drei Millionen Euro investiert

Das Veganz-Expansionskonzept funktioniert über Franchise-Nehmer: Bredack gründet jeweils vor Ort eine Gesellschaft und behält 50 Prozent, die andere Hälfte übernimmt ein Unternehmer. Die Bistros, die jeweils zum Supermarkt gehören, verpachtet Bredack an Gastronomen – er will sich ganz auf den Einzelhandel konzentrieren.

Drei Millionen Euro hat Bredack in einer ersten Welle in die Läden investiert. Das Geld stammt aus Bankkrediten und Beteiligungen. Bredack bietet Unternehmen und privaten Investoren stille Beteiligungen ohne direktes Mitspracherecht an seinem Unternehmen an – etwa über Inhaberschuldverschreibungen oder Genussrechte. Die Mindestinvestitionssumme liegt bei 10.000 Euro.

Potenzielle Standorte für weitere Filialen seien Städte mit Universitäten und vielen Touristen – so wie in Berlin, sagt Bredack. Aus diesem Mix ergebe sich das größte Kundenpotenzial. Zürich, Hamburg, München und Köln sind die nächsten Städte, an denen es bis 2014 Veganz-Supermärkte geben soll.

40 Prozent der Veganz-Kunden seien nicht vegan, zehn Prozent Touristen. „Die meisten Kunden sind zwischen 18 und 34 Jahre alt. Dann kommen sie wieder ab 55 Jahren. Das sind dann deren Eltern“, sagt Bredack. „Wir sprechen mehr und mehr auch ältere Leute an.“ Oft kämen auch Menschen, die die ersten Zipperlein hätten, die sich plötzlich mit einer Gluten- oder Laktoseintoleranz herumschlagen müssen oder schlichtweg abnehmen wollen.

Mehr als bloßes Konsumverhalten

Bredack, der durch seine Frau zunächst Vegetarier wurde und seit 2008 vegan lebt, war noch in seinem vorigen Job Vertriebsleiter des Autobauers Daimler in Russland, als er anfing, den Veganz-Supermarkt aufzubauen und Mitarbeiter einzustellen. „Ich habe immer unbewusst gegessen und mir keine Gedanken gemacht, wo die Nahrung herkommt“, erinnert er sich. „Viele Menschen leben immer noch so.“

Veganismus ist für Bredack nicht nur ein Konsumverhalten, sondern eine Lebenseinstellung, die er mit möglichst vielen Menschen teilen will. Er will überzeugen, aber „ohne missionarische Ansätze, ohne Druck.“ Viele Formen von Krebs, aber auch Volkskrankheiten seien dem übermäßigen Fleisch- und Milchkonsum geschuldet, ist er überzeugt.

Die Ladengeschäfte neben der Veganz hat Bredack gleich mit- und weitervermietet. So können Interessierte im Seminarraum mit Showküche gleich nebenan lernen, wie man vegane Gerichte zubereitet. Außerdem haben sich in direkter Nachbarschaft ein veganer Klamotten- und ein veganer Schuhladen angesiedelt. „Hier soll ein veganes Zentrum entstehen“, sagt Bredack.